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Mitglieder der Band Pussy Riot werden bei ihrer Aktion in der Innenstadt von Sotschi von einem Milizionär attackiert.

Foto: AP/ Morry Gash

Sotschi - Schon in der vergangenen Woche hatte das IOC die norwegische Delegation offiziell gerügt, weil die Langläuferinnen um Superstar Marit Björgen während eines Wettkampfs Trauerflor getragen hatten. Der Grund war der Tod des Bruders der Teamkollegin Astrid Jacobsen gewesen. Die Reaktion des IOC hatte in Norwegen für einen Aufschrei der Entrüstung gesorgt.

Als Konsequenz bat die Delegation der Ukraine darum, ein "Zeichen der Trauer und Anteilnahme" wegen der Eskalation der Gewalt in Kiew setzen zu dürfen. Nach dem abschlägigen Bescheid gingen die Ukrainer an die Öffentlichkeit. "Wir erhielten die Antwort vom IOC, dass dies nicht vereinbar sei mit der Olympischen Charta." Bereits im Fall der norwegischen Langläuferinnen hatte sich das IOC auf den umstrittenen Paragrafen 50.3 berufen. Dieser verbietet an Wettkampfstätten "jede Demonstration oder politische, religiöse oder rassische Propaganda".

IOC-Präsident Thomas Bach drückte den Ukrainern sein Beileid aus, nahm aber keinerlei Stellung zum erneuten Trauerflor-Verbot. "Unsere Gedanken und unser Mitgefühl sind in diesen schweren Zeiten beim ukrainischen Team", sagte der Deutsche, der seit September des Vorjahrs als Nachfolger des Belgiers Jacques Rogge amtiert. Der 60-Jährige lobte die Art und Weise, wie die ukrainischen Sportler "weiterhin ihre Nation mit großer Würde vertreten", dies spreche "für sie und ihr Land". Bach wertete die Anwesenheit der ukrainischen Sportler in Sotschi als "Symbol, dass der Sport Brücken bauen und helfen kann, Menschen verschiedener Herkunft in Frieden zusammenzubringen".

Die hehren Worte sind typisch für Bach, der sich substanziellen Aussage tunlichst enthält. Bachs Untergebene spielen unterdessen Hase und wissen von nichts. Mittwochfrüh hatte IOC-Sprecher Mark Adams beim offiziellen Pressebriefing die Anfrage der ukrainischen Delegation und die Reaktion der Olympier mit keiner Silbe erwähnt, obwohl die Lage in Kiew thematisiert worden war.

Adams hatte nur betont, dass die Entwicklung die Bewerbung der ukrainischen Stadt Lwiw um die Winterspiele 2022 nicht beeinflussen würde. Der Gastgeber wird im Juli 2015 bestimmt: "Von da an wären es noch sieben Jahre. Wir sollten jetzt nicht spekulieren", sagte Adams, der sich ebenfalls betroffen über die Ereignisse in Kiew zeigte: "Natürlich sind das schlimme Szenen."

Bubka schockiert

Schockiert von der Entwicklung in seinem Heimatland zeigte sich das IOC-Mitglied Sergej Bubka. "Gewalt hat keinen Platz in der Welt. Ich will den olympischen Frieden in mein Land bringen. Dialog ist Kraft, Gewalt ist Schwäche", teilte der ehemalige Stabhochspringer mit: "Unsere Athleten in Sotschi kämpfen hart, aber friedlich und ehrenvoll." Geschäftsmann Bubka steht eher dem Regierungslager nahe.

Im Fall der am Dienstag vorübergehend festgenommenen Mitglieder der Punkband Pussy Riot sieht sich das IOC übrigens in bewährter Manier nicht zuständig. Sprecher Adams betonte, dass man die Aktivistinnen ausdrücklich gewarnt habe, dass Demonstrationen in der olympischen Zone "völlig inakzeptabel" wären. Zudem wies er darauf hin, dass Russlands Präsident Wladimir Putin versprochen hätte, die Grundsätze der olympischen Charta für die Dauer der Spiele einzuhalten. Dies gelte "für Teilnehmer, Zuschauer und Athleten der Spiele und wurde bisher eingehalten". Pussy Riot seien aber keine Teilnehmer oder Athleten. Und auch keine Zuschauer, wie Adams betonte: "Nach unseren Informationen" sei "nicht geplant" gewesen, dass die Bandmitglieder olympische Wettbewerbe besuchten.

Das unterscheidet sie natürlich von Gastgeber Putin, der schon viele Wettkämpfe und Side-Events besucht hat - oft auch in Begleitung seines Präsidentenkollegen Bach. (lü, DER STANDARD, 20.2.2014)