Wien - Mit großen Erinnerungslücken kämpfte am zweiten Verhandlungstag der Hauptangeklagte des Schmiergeldprozesses der Nationalbank-Tochter Oesterreichische Banknoten- und Sicherheitsdruck GmbH (OeBS), Ex-OeBS-Geschäftsführer Michael Wolf. Fünf Stunden dauerte seine Einvernahme. Immer wieder wurde Wolf auf etliche Widersprüche zu seinen bisherigen Aussagen vor der Staatsanwaltschaft hingewiesen.

Wolf, der sich gleich zu Beginn seiner Befragung "schuldig im Sinne der Anklage" bekannte, bekräftigte seine bisherige Verantwortung. Auf die Frage eines Anwaltes, ob er keine Möglichkeit gesehen habe, ohne rechtswidriges Verhalten zu positiven Geschäftsergebnissen zu kommen, meinte der Angeklagte: "Meines Erachtens nicht". Die Aufsichtsräte, darunter Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny, habe er "nicht falsch" informiert, aber vielleicht "mangelhaft", räumte Wolf ein.

Schulterzucken

Dass es damals ab dem Jahr 2005 nicht anders als mit Schmiergeldzahlungen gegangen sei, sei sicher am Markt gelegen, und nicht an seiner mangelhaften Geschäftsführung. Er hätte die Verträge mit der Aserbaidschanischen Nationalbank (ANB) auch abgeschlossen, wenn die 20 Prozent nicht auf den Preis aufgeschlagen sondern davon abgezogen worden wären, "wenn es lukrativ gewesen wäre". Es sei ihm relativ rasch klar gewesen, dass hinter den Kickback-Zahlungen keine realen Leistungen steckten, sondern es sich um Schmiergeld handelte. Die Endempfänger seien ihm aber nicht bekannt gewesen, vermutlich "Entscheidungsträger in oder über der Zentralbank von Aserbaidschan".

Auf viele Fragen von Richter Georg Olschak, Staatsanwalt Volkert Sackmann, den neun Anwälten und drei Privatbeteiligtenvertretern konnte oder wollte Wolf nicht antworten, zuckte mit den Schultern, dachte lang nach oder korrigierte seine Aussagen nach genauerem Nachfragen dahin gehend, dass er seine Antwort nur "erschlossen" habe. Etwa wenn er gefragt wurde, wer in der OeBS die Kalkulation zum Auftragspreis gemacht habe.

Zwei Millionen für einen Zettel

Zu diesem Thema heißt es in einem OeBS-internen Schreiben, es gebe in der OeBS einen Ablauf, "der scheinbar vom Vertrieb ignoriert wird. Es gibt auch keinerlei Protokolle oder Schriftlichkeiten den möglichen Auftrag betreffend. Informationen kommen unstrukturiert und ausschließlich mündlich. Der dafür vorgesehene Ordner wird selten gefüllt".

Zahlreiche Dokumente, Protokolle von Sitzungen und Verträge wurden an die Wand projiziert, in denen es um die inkriminierten "Provisionen" bei den Banknotendruckaufträgen für Aserbaidschan und Syrien ging. Eine Rechnung der panamesischen Briefkastenfirma Venkoy, über die die Millionen-Provisionszahlungen liefen, hatte einen besonders kurzen Inhalt. "Für so einen Zettel überweisen Sie fast zwei Millionen Euro?" fragte der Richter.

"Dann lügt er"

Nationalbankgouverneur Ewald Nowotny war von der Staatsanwaltschaft anfangs auch als Beschuldigter einvernommen worden, später wurden die Ermittlungen gegen ihn aber eingestellt. Richter Olschak hielt Wolf die Aussagen Nowotnys vor: Ihm sei auf Nachfrage versichert worden, dass vor Ort konkrete Leistungen - für die Provisionen - erbracht worden seien. "Er hat nicht nachgefragt", sagte Wolf heute. Wenn Nowotny wirklich nicht nachgefragt habe, "dann lügt er bei seiner Vernehmung", kommentierte der Richter.

Während der Einvernahme von Wolf wurden auch mehrere OeBS-Aufsichtsratsprotokolle vorgelegt. Auf die Frage eines Aufsichtsrats, ob die Provisionen Probleme wie bei Siemens auslösen könnten (das Unternehmen war in einen Schmiergeldskandal verwickelt, Anm.), dementierte Wolf. In mehreren Sitzungen hatte er die Provisionszahlungen verteidigt. So erklärte er, die Provisionen seien mit dem Steuerberater besprochen worden, eine eigene Policy der OeBS für den Umgang mit Provisionszahlungen brauche es nicht, alle Zahlungen seien über Verträge erfolgt und die Geldflüsse in den Büchern der OeBS abgebildet.

Mulmiges Gefühl

Vor den Aufsichtsratssitzungen habe es vertrauliche Gespräche mit dem zweiten OeBS-Geschäftsführer, Johannes Miller, und Aufsichtsratspräsidenten Wolfgang Duchatczek gegeben, in denen "offener" über die Provisionen gesprochen worden sei, sagte Wolf dazu. Bei diesen Dreiergesprächen sei Duchatczek informiert gewesen. Er, Wolf, habe zwar von Anfang an bei den hohen Provisionen von 20 Prozent beim Aserbaidschan-Auftrag ein "mulmiges Gefühl" gehabt, gestand er ein. Ohne das Einverständnis von Duchatczek hätte er es auch nicht gemacht, belastete er den ehemaligen OeNB-Vizegouverneur.

Warum Duchatczek aber dann auf die Verringerung der Provisionshöhe gedrängt hatte, obwohl es ja für die OeBS nur ein Durchlaufposten war, wurde Wolf gefragt. Vielleicht sei dies aus "optischen Gründen" erfolgt, meinte Wolf heute. Dass Duchatczek einmal einen Aufsichtsratsprotokoll-Entwurf zurückwies und eine Zusammenfassung, aber "kein Tonbandprotokoll" verlangte, war laut Wolf vermutlich erfolgt, damit "heikle Dinge" nicht mehr im Protokoll ständen. Dem Anwalt von Duchatczek, Herbert Eichenseder, platzte daraufhin fast der Kragen. Der von Wolf unterstellte Geheimhaltungsvorsatz sei absurd, denn die Aufsichtsräte seien ja selbst in der Sitzung gesessen, meinte er.

Kleine Geschenke

Auch die Geschäftsführerin der Panama-Briefkastenfirma Venkoy kam zur Sprache. Über die Venkoy bzw. die Vermittlung zweier mitangeklagter Anwälte, sollen die Bestechungszahlungen gelaufen sein. Die Geschäftsführerin, eine pensionierte Anwaltssekretärin, lebte in der Schweiz und kam sogar einmal extra nach Wien. Ein damals angefertigtes Protokoll über sehr detailreiche Gespräche mit ihr über den Aserbaidschan-Auftrag entspreche nicht den Tatsachen, räumte Wolf heute ein. Trotzdem sei sie eine "rüstige" über 70-jährige Frau und weltoffen gewesen, meinte Wolf. Laut einer Spesenabrechnung der Frau für ihre Auftraggeber, die nun wegen Geldwäsche angeklagten Anwälte, hat sie ihren Wien-Aufenthalt "als Vergnügen", nicht als Arbeit gesehen. Laut Anklageschrift wurde mit ihr in Wien nur über Wein und Reisen geredet.

Abseits der großen Provisionszahlungen gab es auch "kleine Geschenke" und Einladungen für die Kunden der OeBS. Die mitangeklagte Vertriebsmitarbeiterin habe ein eigenes Budget dafür gehabt, so Wolf. Bei den "kleinen Aufmerksamkeiten" habe es sich etwa um "eine Flasche Whisky oder Cognac" gehandelt.

Richter Olschak ermahnte mehrmals Anwälte, ihm und einander nicht ins Wort zu fallen und konkrete Fragen zu stellen. Wolf-Anwalt Manfred Ainedter solle seinem Mandanten keine "Suggestivfragen" stellen, bat Olschak. Der Prozess wird am Freitag um 9 Uhr im Großen Schwurgerichtssaal im Wiener Straflandesgericht fortgesetzt. (APA, 19.2.2014)