Philip und Helmut Rachinger kochen im Mühltalhof in Neufelden - eine der interessantesten Küchen des Landes.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Sauerrahmsuppe wird als samtige, lauwarme Creme mit Kümmel und dreierlei Zwiebeln sowie Würfeln vom knusprig gebackenen Sauschädel serviert.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Der Mühltalhof in Neufelden, nördlich von Linz am Ufer der Mühl gelegen, gilt aufmerksamen Essern seit vielen Jahren als Sehnsuchtsort. Das Hotel vermittelt auf zurückgenommene, stimmige Art Kunstsinn, Modernität, Geborgenheit. Im Restaurant hatte Patron Helmut Rachinger mit seinem unaufgeregten, subtil aufs Produkt fokussierten Stil schon gezeigt, dass große Küche und Regionalität zusammengehören, lange bevor der entsprechende Trend ausgerufen war.

Junger Heimkehrer

Jetzt tut sich abermals Bemerkenswertes. Seit ein paar Wochen ist Rachingers Sohn Philip (24) heimgekehrt, sie stehen nun Seite an Seite in der Küche. Der Junior war, nach ein paar Jahren Steirereck, lange im Ausland, begann bei Pierre Gagnaire in dessen Sketch in London, ging als Sous-Chef (!) in Isaac McHales gefeierten Clove Club, wo fantastische, mit lässiger Leichtigkeit zusammengefügte Gerichte aus der Küche geschossen kommen und etwa Guardian-Restauranttesterin Marina O'Loughlin "eines der großartigsten Essen seit vielen Jahren" serviert bekam.

Danach wechselte er ins Saturne nach Paris, eine der knusprigsten jungen Adressen, die die Hauptstadt des guten Essens zu bieten hat, und war auch hier binnen kürzester Zeit in verantwortlicher Position tätig. Kurz: Der Mann ist gut. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass so einer sein Licht unter den Scheffel stellt, wenn er still und leise in die heimatliche Provinz zurückkriecht.

Ganz im Gegenteil: Er könnte, sollte sich als Glücksfall für das Land erweisen. Schließlich ist es lange her, dass einer der Unsrigen es gewagt hat, sich in die echten Epizentren des guten Essens aufzumachen und auch sonst bereit zu sein, die Welt aus der er kommt, so grundsätzlich infrage zu stellen.

Wenn er dazu das Glück hat, einen bedächtigen, dem Experiment stets zugewandten Komplizen wie Helmut Rachinger als Vater und Partner zu haben, dann kann etwas Neues entstehen, das die hierorts noch geltende Idee des feinen Essens als fleißig ziselierte Fitzelei vom Kopf auf die Füße stellt. Die Rachingers beteuern zwar, erst am Anfang ihres Abenteuers zu stehen - als Gast kann man aber nicht anders, als sich vor Glück die Augen zu reiben angesichts dessen, was dieser Tage im Mühltalhof zu Tisch gebracht wird.

Carte blanche

Noch gibt es eine Speisekarte, die auf Wunsch gereicht wird - am Tisch aber steht die charmante Aufforderung, sich der Küche auszuliefern, was in einem mit 49 Euro fast verschämt günstigen Überraschungsmenü resultiert. Da wird dafür gleich aufs Herz gezielt. 

Rohe, hauchdünn aufgeschnittene Halmrübe kommt zart gesalzen und mit einem Hauch Zitronenmarmelade versehen: Ein Amuse-Bouche, das zartbitter, süß, salzig, sauer und fruchtig die Sinne kitzelt, einen im besten Sinne aufweckt für die Lässigkeiten, die da kommen. Etwa gequetschte Leinölerdäpfel mit Senfsaat, Senfgurke und geräuchertem, getrockneten Forellenkaviar vom nahen Stift Schlägl, der am Gaumen wie feinste Bottarga Gas gibt - fantastisch.

Oder "Oafisch", ein pochiertes Ei, mit Butterbröseln, knuspriger Hendlhaut, Stückeln vom Suppenhuhn, Kapern und kurz sautierten Endivienblättern kombiniert - einfachste Zutaten, unaufgeregt zu einem der tollsten Gerichte dieses Winters zusammengefügt.

Oder die regionstypische Sauerrahmsuppe (siehe Bild) als samtige, lauwarme Creme interpretiert, wie sich's gehört mit reichlich Kümmel gewürzt und mit dreierlei Zwiebeln - mariniert, angekokelt und süß geschmort - sowie Würfeln vom knusprig gebackenen Sauschädel kombiniert: Essen, das fest in Region wie Jahreszeit verankert ist, aber mit Leichtigkeit über den Tellerrand hinauszuschauen vermag. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 21.2.2014)