Zum ersten Mal seit dem Zusammenbruch der Konjunktur Anfang 2001 überwiegen jene Stimmen, die mit einem zarten Aufschwung rechnen: obwohl Deutschland gerade eine Rezession durchmacht und in Österreich der politische Streit notwendiges Handeln überdeckt. Warum auf einmal dieser Optimismus?

Blenden wir zurück: Nach der Enron-Pleite redeten alle noch von einer "Delle". 2002 werde alles wieder so sein wie vor einem Jahr. Dann ereignete sich der Terrorangriff auf die USA. Er gab der wankenden New Economy den Rest und hatte weltweit einen verheerenden psychologischen Effekt. Der Pessimismus breitete sich auf das Konsumverhalten aus. Wachstumsmotoren wie die Automobilindustrie gerieten ins Stottern. Und als die Regierung Bush begann, gegen Saddam Hussein zu mobilisieren, starb auch die Lust auf Investitionen. Die Zukunft lag im Ungewissen.

Wir in der Europäischen Union haben gleichzeitig die negativen Aspekte der Umstellung auf den Euro unterschätzt. Als die Konsumenten merkten, wie leicht man plötzlich zu viel Geld ausgibt, stiegen sie auf die Bremse.

Nulldefizit statt antizyklisches Handeln

Und in Österreich redete der Finanzminister immer noch von einem Nulldefizit, als er bereits antizyklisch hätte handeln sollen - ein Minister, der sich zwar zum EU-Musterknaben gewandelt, der aber jahrelang die wirtschaftsfeindlichen Umtriebe seiner (Ex)partei in Sachen Osterweiterung mitgetragen hatte.

Der Wirtschaft geht es im Hitzesommer nicht besser als in den Hochwasserzeiten des Vorjahres. Aber die Stimmung hat sich gewandelt. Es gibt keine akute Kriegsgefahr, der Euro ist "gegessen", der Dollar kann nicht mehr viel weiter heruntergefahren werden. Bei uns zu Hause hat die Stärke der Industrie und der Banken auf den Ostmärkten die Abhängigkeit von Deutschland gemildert. Dass Österreich wieder hoffen darf, ist daher kein Verdienst der Regierung, sondern eines der Unternehmer und Manager.

Vor allem die amerikanische Entwicklung wird helfen, die europäische Konjunktur über dem Gefrierpunkt zu halten. Drei Prozent Wachstum heuer, vier Prozent vermutlich im nächsten Jahr: Das kurbelt die Übersee-Exporte an, trotz des ungünstigen Dollar-Euro-Verhältnisses. Und trotz des Faktums, dass ein Teil der US-Konjunktur den Waffenkäufen der Regierung zuzuschreiben ist. Gleichzeitig ist die Umstrukturierung der New Economy nahezu abgeschlossen. Sie wird ab Mitte des Jahrzehnts ein ganz normal agierender Industriezweig sein. Die Aktienmärkte normalisieren sich.

Keine Rückkehr zu den Boomjahren

Diese psychologische Wende bedeutet keine Rückkehr zu den Boomjahren des vergangenen Jahrhunderts. Besser als der Begriff "Aufschwung" ist das Wort "Erholung" geeignet, um den wirtschaftlichen Wandel der nächsten Zeit zu beschreiben. In Europa sind für die Beurteilung des Ausmaßes zwei Faktoren wichtig. Erstens: Wann greifen die deutschen Sozialreformen? Eine Rückkehr des EU-Raumes in die Zuwächse der 90er-Jahre hängt vom Gesundheitszustand der deutschen Wirtschaft ab. Zweitens: Welche realen Einflüsse wird die EU-Erweiterung nächstes und übernächstes Jahr haben? Viel wurde bereits in den Jahren nach der Ostöffnung vorweggenommen.

2004 wird höchstwahrscheinlich ein Jahr des Übergangs. Erst das fünfte Jahr des neuen Jahrhunderts könnte sich zu einem an Sorgen ärmeren entwickeln. Dann nämlich, wenn der neue Optimismus dazu führt, lange aufgeschobene Pläne zu realisieren, Investitionen an die erste Stelle zu setzen. Das gilt auch für den Staat, der von Leuten wie Wolfgang Schüssel oder Karl-Heinz Grasser gerne als Unternehmen gesehen wird. Nur: Die infrastrukturellen Hausaufgaben sind noch nicht erledigt. Die Terminisierung der Steuerreform gehorcht Wahlterminen, nicht wirtschaftlichen Vorgaben. Das ist alte Politik. Die Regierung ist kein Träger der neuen Zuversicht, sie fährt mit umgefärbten Modellen auf runderneuerten Reifen. Insofern sind eine Reihe östlicher Länder westlicher als Österreich. (Der Standard, Printausgabe, 16.08.2003)