US-Präsident George W. Bush sagte: kein Terroranschlag. Der erste Gedanke vieler New Yorker hatte aber dennoch dem 11. September 2001 gegolten, "es war genau das gleiche. 'Was ist bloß los?'-Gefühl", sagte ein Betroffener. Donnerstag, exakt um 16.11 Uhr Ortszeit, legte der bislang größte Stromausfall in der Geschichte der USA das öffentliche Leben in New York lahm.

Die Folge: kein Strom, keine Klimaanlage, keine Ampeln, keine U-Bahn. Auch Bürgermeister Michael Bloomberg versicherte rasch, es habe keinen Terroranschlag gegeben - und beruhigte damit viele der acht Millionen Einwohner.

Die Szenen waren aber wie am 11. September: Alle Brücken und Tunnels in Richtung Innenstadt wurden gesperrt. Die Straßen waren voll von Fußgängern, viele liefen über die Brooklyn Bridge nach Hause - wie sie es bereits vor zwei Jahren getan hatten.

Die U-Bahn-Stationen lagen in völliger Dunkelheit, in den stickigen Schächten saßen stundenlang Passagiere fest, wo ihr Zug eben stehen geblieben war. In Bussen drängelten sich Menschen um die Plätze - die Klimaanlagen dort gehörten zu den wenigen, die überhaupt noch funktionierten. Notfallpläne

Die Polizei stationierte 9000 schwer bewaffnete Beamte an wichtigen Punkten der Stadt. Die Einsatzleiter hielten sich an Notfallpläne, die nach dem Anschlag auf das World Trade Center entwickelt worden waren. "Wir haben keine Fälle von Plünderungen, aber wir sind zu beschäftigt, um jeden Kleindiebstahl zu verfolgen", sagte ein Polizeisprecher.

Auf den drei Flughäfen New Yorks wurden alle Abflüge abgesagt, nur Landungen waren noch möglich. Die Reisenden mussten nach ihrer Ankunft bei sengenden Temperaturen im Terminal ausharren.

Im Übrigen aber nahmen es die New Yorker locker. Die meisten Restaurants schlossen zwar im Lauf des Nachmittags, einige Kneipen machten jedoch guten Umsatz. Der Inhaber der Electric Banana Bar in Manhattan zum Beispiel kündigte an, so lange auszuschenken, wie seine Kerzen brannten - Anrainer brachten daraufhin am Abend eigene Kerzen mit. Hilfsbereite Kanadier

In allen anderen vom Stromausfall betroffenen Regionen zwischen New York und der kanadischen Stadt Ottawa herrschten ähnliche Zustände. In Toronto griffen die Autofahrer nach dem Ausfall der Ampeln zur Selbsthilfe. Viele stiegen aus und begannen in Privatkleidung, den Verkehr zu regeln. Die ganze Stadt sei von einer Welle der Menschlichkeit erfasst, berichtete der Globe and Mail. Zu Plünderungen sei es nicht gekommen, hieß es.

Dafür aber in Ottawa: Nur Minuten nach Beginn des Stromausfalls habe es einen versuchten bewaffneten Überfall auf ein Kurierauto gegeben. Ein Verdächtiger wurde festgenommen. Bei einer Schießerei sei niemand verletzt worden.

Freitagvormittag war in den meisten Städten die Energieversorgung wenigstens teilweise wieder hergestellt, aber es war - mehr als 16 Stunden nach dem Ausfall - noch völlig ungeklärt, was zum großen "Blackout" geführt hatte (siehe Bericht unten).

Die New Yorker mussten am Freitagmorgen zunächst weiter ohne ihre U-Bahn auskommen. Ein Vertreter der U-Bahn-Betreiber teilte am Morgen mit, er hoffe, die meisten Menschen folgten dem Rat von Bürgermeister Michael Bloomberg und blieben einfach zu Hause. (AP/DER STANDARD, Printausgabe, 16./17.8.2003)