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Foto: REUTERS/Stephen Hird
Bevor Alastair Campbell gestern vor der Untersuchung durch Lordrichter Brian Hutton aussagen konnte, war er einem Spießrutenlaufen ausgesetzt. Auf dem Weg zum Londoner High Court wurde er von Demonstranten und Kriegsgegner mit Plakaten begrüßt und mit Papierschnitzeln beworfen.

Es gab ihm einen Hinweis darauf, wie ein Teil der Briten seine Rolle und die der Regierung in der Affäre um den Selbstmord des Regierungsberaters David Kelly betrachten. Der Kommunikationsdirektor und engste Berater von Premierminister Tony Blair reagierte jedoch kühl und zurückhaltend – und auf gleiche Art beantwortete er die Fragen der Anwälte, die Licht in die Angelegenheit bringen wolle.

Keine Spur von einer Bombe, wie sie Tony Blairs Stabschef Jonathan Powell am Tag zuvor hatte platzen lassen. "Das Dossier belegt keine Bedrohung, schon gar nicht eine unmittelbare Bedrohung, durch Saddam. Wir dürfen bei Vorlage des Dokuments nicht so tun, als hätten wir Beweise für eine unmittelbare bevorstehende Bedrohung", hatte Powell in einer E-mail geschrieben, die unter anderem an Campbell gegangen und am Montag der Hutton-Untersuchung vorgelegt worden war.

Campbell bestritt ruhig aber bestimmt, dass er das umstrittene Dossier, mit dem Blair September letzten Jahres vor dem Unterhaus die britische Teilnahme am Irak-Krieg zu rechtfertigen versuchte, persönlich aufgebauscht habe.

Er wisse auch nicht, wie die Behauptung, Saddams Massenvernichtungswaffen könnten innerhalb von 45 Minuten aktiviert werden, in das Dossier kam, fuhr Campbell weiter. Diese Behauptung hatte die BBC in einem umstrittenen Bericht aufgebracht und dabei, wie sie nach dem Selbstmord Kellys vor einem Monat bekannt gab, auf den ehemaligen Waffenexperten als Quelle gestützt.

Das Tagebuch

Er sei aus Gründen der Glaubwürdigkeit des Dokuments immer darauf bedacht gewesen, dass die Federführung und Verantwortung für das Dossier bei den Geheimdiensten lag, sagte Campbell. Er habe lediglich gewünscht, dass die Sprache gemildert würde. "Je trockener, desto besser", wie Campbell aus seinem Tagebuch vorlas.

Damit hatte der Kommunikationsdirektor jedoch die ungeteilte Aufmerksamkeit der Journalisten. Mit dem Schreiben des Tagebuchs hatte Campbell angeblich 1994 begonnen, als er als Pressesprecher in die Dienste von Blair trat, der damals Oppositionsführer geworden war. Um dieses Buch drehen sich Gerüchte wegen der Polit-Geheimnisse, die es enthalten soll.

Glaubt man den englischen Zeitungen, bezeichnet Campbell das Tagebuch auch als seine "Rente", da er eines Tages mit dessen Veröffentlichung viel Geld machen könne. Das sei jedoch nicht seine Absicht, erklärte der ehemalige Journalist des Boulevardblatts Daily Mirror, der auch als "Schatten Blairs" bezeichnet wird. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.8.2003)