Bild nicht mehr verfügbar.

Studentenaktion vor der Nationalen Universität im Zentrum Kiews am Montag.

Foto: Reuters/Garanich

STANDARD: Wie ist die politische Krise in der Ukraine zu lösen?

Jazenjuk: Es reicht nicht, einfach einen anderen Premierminister oder Präsidenten einzusetzen. Wir müssen unser System ändern. Leider herrscht bei uns in vielen Bereichen der Geist der Sowjetunion. Präsident Janukowitsch wurde von diesem alten System geprägt, deshalb ist er der falsche Mann für einen Neuanfang.

STANDARD: Die ukrainische Opposition ist gespalten, auf parteipolitischer Ebene zwischen den drei Fraktionen Swoboda, Udar und Vaterland. Wieso tritt die Opposition nicht geschlossen auf?

Jazenjuk: Pluralismus gehört doch zur Demokratie. Ohne Wettbewerb zwischen Parteien gibt es keine freiheitliche Gesellschaft. Allerdings sind sich die politische Opposition und die NGOs darin einig, dass wir ein proeuropäisches Land werden wollen.

STANDARD: Sie haben vergangene Woche Julia Timoschenko in ihrer Gefängniszelle in Charkiw besucht. Was haben Sie besprochen?

Jazenjuk: Es ging um die Strategie und um die Taktik für unseren Sieg. Timoschenko hält die Verhandlungen mit Janukowitsch für Zeitverschwendung und plädiert für die Einrichtung einer unabhängigen Maidan-Regierung (Name des zentralen Platzes in Kiew, Anm.). Timoschenko sitzt seit zweieinhalb Jahren unschuldig hinter Gittern, Janukowitsch hat die unfairen Prozesse gegen sie zu verantworten. Timoschenko hat oft mit Janukowitsch verhandelt, sie kennt ihn in- und auswendig.

STANDARD: Wie liefen die Gespräche der Opposition mit Janukowitsch bisher ab?

Jazenjuk: Janukowitschs Regierungsstil ähnelt den Zuständen am Kaiserhof in Byzanz. Der Präsident ist weder an konkreten Entscheidungen noch an eindeutigen Äußerungen interessiert. Aber zu Verhandlungen gibt es derzeit keine Alternative. Wir können miteinander reden oder uns gegenseitig totschießen.

STANDARD: Janukowitsch hat Ihnen den Posten des Premiers angeboten, warum haben Sie abgelehnt?

Jazenjuk: Janukowitsch will die Opposition spalten. Ich bin bereit, in die Regierung einzutreten, wenn drei Forderungen erfüllt sind: Rückkehr zur Verfassung von 2004 und damit Wiederherstellung einer parlamentarischen Demokratie; das gesamte Kabinett muss aus Oppositionsvertretern bestehen; und schließlich die Verabschiedung eines Reformplanes, wie von EU und USA gefordert.

STANDARD: In der Ukraine gibt es Befürchtungen, dass Russland die Krise dazu nutzen könnte, das Land stärker als je zuvor zu kontrollieren. Welche Strategie verfolgt Präsident Wladimir Putin?

Jazenjuk: Der russische Präsident strebt die Schaffung einer Eurasischen Union an. Für jemanden, der den Zusammenbruch der Sowjetunion als die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts ansieht, bedeutet das die Schaffung eines neuen Reiches. Doch ohne die Ukraine wird dieser Plan nicht aufgehen. Die EU hat der Ukraine mit dem Assoziierungsabkommen das eindeutig bessere Angebot gemacht. Das Abkommen kann nur durch eine neue politische Führung der Ukraine unterschrieben und umgesetzt werden. (Nina Jeglinski, DER STANDARD, 18.2.2014)