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Weibliches Exemplar der Drosophila melanogaster bei der Eiablage. Die Überlebenswahrscheinlichkeit neu entstandener Gene ist bei Weibchen geringer.

Foto: APA/IMP-IMBA

Wien - Gene werden nicht nur von Generation zu Generation vererbt, es entstehen auch regelmäßig neue Gene. Ihre Anzahl im Organismus müsste demnach stetig ansteigen. Das ist jedoch nicht der Fall: Forschende der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni) konnten erstmals zeigen, dass neu entstandene Gene mitunter auch wieder verschwinden. Wie die Forscher aktuell im Fachjournal "eLife" berichten, ermöglicht dies Organismen eine rasche Anpassung an die Umwelt und treibt damit den Evolutionsprozess an.

Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass neue Gene (so genannte de Novo oder Orphan-Gene) durch Mutationen in einem bis dahin funktionslosen DNA-Abschnitt entstehen. Interessanterweise haben diese Orphan-Gene bereits eine Funktion, obwohl sie erst ganz jung sind. Bis zu 30 Prozent aller Gene in einem Organismus gehören zu diesem Gentypus. Entdeckt wurden sie in der Fruchtfliege (Drosophila), sie kommen jedoch in allen Organismen vor - einschließlich dem Menschen. 

Jüngere Gene gehen eher verloren

Christian Schlötterer vom Institut für Populationsgenetik der Vetmeduni untersuchte nun mit seinem Team bei Drosophila-Fliegen den Lebenszyklus solcher Gene in Fruchtfliegen. Dieser stellte sich in den meisten Fällen als sehr kurz heraus: "Es gibt Gene, die im Verlauf der Evolution lange erhalten bleiben, wir bezeichnen diese Gene als konserviert. Orphan-Gene sind genau das Gegenteil, sie kommen und gehen. Interessanterweise sind es die jüngeren Orphan-Gene, die rascher wieder verschwinden. Orphan-Gene die schon länger bestehen, bleiben eher vorhanden", berichtet Schlötterer. 

Die Forscher identifizierten zwei Faktoren, die die Lebensdauer eines jungen Gens beeinflussen: Erstens bleiben aktive Gene, also jene die viel RNA produzieren, länger erhalten als weniger aktive Gene. Zweitens sind jene Gene, die in Männchen aktiver sind als in Weibchen, länger intakt.

Schneller Funktionsverlust auf X-Chromosomen

Auch der Ort an dem sich ein Orphan-Gen befindet, entscheidet über sein Fortbestehen. Orphan-Gene auf X-Chromosomen (von denen Männchen eines, Weibchen zwei besitzen) verlieren ihre Funktion viel schneller als Orphan-Gene auf anderen Chromosomen. Zudem gibt es auf dem X-Chromosom mehr Orphan-Gene als anderswo. Dieses Phänomen können die Forschenden bislang jedoch noch nicht erklären. Es scheine einen Mechanismus zu geben, der das "Überleben" der Orphan-Gene auf dem X-Chromosom erschwert, so Schlötterer.

Aber selbst wenn die Junggene eine Rolle im Organismus finden und Funktionen übernehmen, muss dies nicht unbedingt zu ihrem Überleben beitragen, berichtet der Zoologe: "Es kann sein, dass sie in einer Art sehr schnell eine Funktion bekommen und bestehen bleiben, in verwandten Arten aber gar nicht benötigt werden und verschwinden", sagte er.

Werkzeuge der Evolution

Von kaum einem dieser Gene sei die Funktion bekannt, weil sie in der Regel nur in einer Art vorkommen und man dadurch keine Schlüsse aus Vergleichen ziehen könne. Für die Evolution dürften die Orphan-Gene jedenfalls ausgesprochen wichtig sein: "Gerade für kurzfristige Anpassungen einer Art, wenn die Organismen etwas Neues und Innovatives brauchen, sind Orphan-Gene wahrscheinlich von großer Bedeutung", so Schlötterer. (red, derStandard.at, 17.2.2014)