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Die diesjährige Berlinale ging am Wochenende zu Ende. Am Rande des Festivals wurde unter dem Motto "Get Yourself Connected" der noch immer geringe Anteil von Frauen als Filmschaffende diskutiert.

Foto: REUTERS/Jens Kalaene

Es ist noch nicht lange her, da galt die Veranstaltungsform "Frauenfilmfestival" vielen als Auslaufmodell. Sind die Frauen nicht längst mitten im Filmgeschäft angekommen? Doch dieser Eindruck ist verzerrt, womöglich durch allzu lange Gewöhnung an den Mangel. Denn während Frauen mittlerweile in vielen Ländern etwa die Hälfte der Filmstudierenden ausmachen, liegt ihr Anteil an den professionellen Regiearbeiten meist immer noch um die zehn Prozent.

Außerdem herrschen völlig unterschiedliche Verhältnisse. So wurden gerade in Asien in den letzten Jahren von Israel über das indische Chennai bis Peking neue Filmfestivals für Frauen gegründet, wie So-in Hong vom Network of Asian Women’s Film Festivals (NAWFF) bei einem Treffen von Filmfrauen und Frauenfilmaktivistinnen während der Berlinale berichtete. Deren Anliegen sind weit gestreut und reichen von der ersten vorsichtigen Annäherung an Genderfragen wie in Peking bis zu dem Versuch, den im Westen virulenten Stereotypen von asiatischer Weiblichkeit eigenes Handeln entgegenzusetzen.

Anteil von Frauen in Schlüsselpositionen

Doch nicht nur in Asien gärt es. Das von der Filmstiftung Nordrhein-Westfalen unterstützte zweite Berliner Treffen dieser Art erfüllte unter dem Aufruf "Get Yourself Connected" am Donnerstagabend ganz offenbar den dringenden Bedarf nach Aktion bei den mehr als 200 erschienenen Filmprofessionellen vor allem aus Europa und den USA. Die waren zwar durchwegs gut gelaunt, doch auch ebenso kämpferisch gestimmt wie Goldenen-Bären-Gewinnerin Jasmila Žbanić, die den Tenor des Meetings mit "Wir sind stinksauer" in ebenso schlichte wie markante Worte fasste.

Denn der Anteil von Frauen an den Schlüsselpositionen der Filmproduktion ist nicht nur immer noch skandalös gering. Er geht teilweise sogar zurück, wie die New Yorker Filmpublizistin und Bloggerin Melissa Silverstein mit Zahlen aus dem jährlichen "Celluloid Ceiling Report" von Martha Lauzen erläuterte. So führten 2013 nur bei sechs Prozent der Top-250-Filme aus Hollywood Frauen die Regie. Und dieser Anteil ist von 1998 bis 2012 um drei Prozent gesunken. Im Independent-Bereich und bei TV-Produktionen sieht es mit 29 Prozent etwas besser aus, stagniert aber auch seit langem. Silversteins amerikanisch-pragmatischer Vorschlag: "Geht und guckt euch Filme von Frauen im Kino an, am besten am (in den USA für den Erfolg so wichtigen, Anm.) Opening Weekend!"

Keine Daten zur Gender-Verteilung

In den meisten Ländern Europas ist die Lage ähnlich drastisch. Ein großes Handicap dabei ist bisher das Fehlen offizieller statistischer Daten zur Gender-Verteilung, die für eine qualifizierte politische Aktion notwendige Basis sind. Dies wurde auch schon letztes Jahr vehement eingefordert. Die Mühlen der europäischen Bürokratie mahlen langsam, doch es gibt Fortschritte. Wie Sanja Ravlić von Eurimages berichtet, wurde von der Study Group on Gender Equality der Eurimages eine entsprechende Studie für Deutschland, Großbritannien, Kroatien und Schweden in Auftrag gegeben.

Der beim Treffen vorgestellte Versuch einer Initiative von 14 Frauenfilmfestivals und Organisationen, bei der Europäischen Kommission zur Staatlichen Filmförderung (Communication from the Commission Regarding State Aid for Films and Other Audiovisual Works) auch Maßnahmen zur Beseitigung des "Gender Gaps" einzubinden, ist - vorerst - gescheitert. Doch das hindert nicht, den Weg über die nationalen Filmförderungen zu gehen. Best-Practice-Beispiele sind hier bekanntermaßen die skandinavischen Länder - allen voran Schweden - und Spanien, das seit 2007 ein Gesetz zur Gleichstellung im Film mit quotierter Besetzung der Fördergremien und Bonuspunkten für Filme mit weiblicher Regie oder Autorschaft im Förderverfahren hat. Bis jetzt ist es zu früh, um Ergebnisse zu sehen.

Qualitätsbegriff in der Kritik

Katalysatorin für heftige Reaktionen im Publikum war Panel-Teilnehmerin Cornelia Hammelmann, Projektdirektorin des eher technisch agierenden Deutschen Filmförderfonds. Mit ein paar Bemerkungen gelang es der ausgewiesenen Quoten-Gegnerin, die Anwesenden zu Widerspruch zu provozieren. Besonders ihre Bemerkung, es solle ihrer Meinung nach "vor allem um gute Filme gehen", stachelte die Anwesenden dazu an, sich in langer Schlange am Saalmikrofon aufzustellen. Besonders stand in dieser Diskussion der Qualitätsbegriff in der Kritik, der, wie es die Kölner Filmkünstlerin Anke Schäfer vielleicht am schärfsten formulierte, nur vorgeschoben sei, um Machtverhältnisse und Interessenlagen zu verschleiern.

Mit einer Gender-Quotierung von Fördersummen ist es zur Veränderung der Filmlandschaft aber auch nicht getan. Dass sie dennoch notwendig ist, darin waren sich im Saal fast alle einig. Auch ist es kein Naturgesetz, dass Frauen an den entscheidenden Stellen ausreichen würden, um die Filmwelt zu ändern. Wegweisender für eine nachhaltige Änderung könnte vielleicht der Hinweis einer Teilnehmerin auf eine Initiative des Schwedischen Filminstituts sein, das ein Sensibilitäts-Training zum Thema kulturelle Diversität für Entscheidungsträger aller Geschlechter anbietet. Auf lange Zeit lassen sich so sicher festgezurrte Einstellungen ändern. Aber vielleicht wird vorher ja schon Jasmila Žbanićs zu Ende der Veranstaltung geäußerter Wunsch wahr, dass in fünf Jahren die Hälfte aller A-Festivals Frauen als Direktorinnen haben. (Silvia Hallensleben, dieStandard.at, 16.2.2014)