"Man darf nicht so tun, als hätte Kärnten noch nichts beigetragen", sagt Landeschef Peter Kaiser und meint damit nicht die Misere um die Hypo, sondern deren Bewältigung. Die landeseigenen Reserven will der SP-Politiker nicht antasten.

Foto: Der Standard/Corn

STANDARD: Passend zu Olympia eine klassische Sportreporterfrage: Wie fühlen Sie sich als oberster Kärntner angesichts des Milliardenfiaskos, das die Republik der Landes-Hypo verdankt?

Kaiser: Wenn ich daran denke, was man mit dem Geld an Gutem für Land und Leute tun könnte, werde auch ich grimmig. Allen, die sich ebenfalls ärgern, möchte ich aber etwas mitgeben: Die heute Zuständigen sind die Falschen zum Prügeln. Verantwortlich sind die früheren Bankmanager - und jener Ex-Landeshauptmann, der seinen Aufstieg nicht zuletzt damit finanziert hat.

STANDARD: Tragen die Kärntner da nicht auch kollektive Mitverantwortung? Immerhin haben sie Jörg Haider oft genug gewählt.

Kaiser: Nein, es gibt keine Kärntner Kollektivschuld. Der überehrgeizige Expansionskurs der Hypo, Haiders Machenschaften: All das war für die breite Öffentlichkeit nie nachvollziehbar. Als die Bank verkauft wurde, schwappte eine Welle der Euphorie über das "beste Geschäfte zur besten Zeit mit dem besten Partner" durchs Land. Diesen Rückhalt haben die Kärntner im guten Glauben gegeben.

STANDARD: Die SPÖ hätte es aber besser wissen können, zumal es schon früher Warnungen vor den riesigen Landeshaftungen gab. Trotzdem haben Sie zugestimmt.

Kaiser: In einer gemeinsamen Regierung ist Politik nur dann möglich, wenn die jeweiligen Ressortchefs einander das Vertrauen für ihren Bereich schenken. Wenn die damals freiheitlichen Finanzreferenten Prüfungsberichte auf den Tisch legen, laut denen alles okay ist, dann kannst du nicht päpstlicher als der Papst sein, sondern musst das akzeptieren. Klar: Mit dem heutigen Wissen würde ich vertiefende Prüfung verlangen.

STANDARD: Wäre es also nicht gerechtfertigt, dass die Kärntner einen Extrabeitrag zur Hypo-Bewältigung leisten - etwa indem sie ihren Zukunftsfonds plündern?

Kaiser: Man darf nicht so tun, als hätte Kärnten noch nichts beigetragen. Schon bei der Verstaatlichung der Bank flossen an die 146 Millionen aus dem Zukunftsfonds plus weitere 50 Millionen von einem Landeskonto.

STANDARD: Aber 500 Millionen sind im Fonds noch übrig - und gebraucht werden Milliarden.

Kaiser: Das war ja noch nicht alles. Während die alte Regierung am Vorabend der Notverstaatlichung noch Hunderter verteilte, hat die neue gleich einen Schritt zur Wiedergutmachung geleistet: Wir haben zur Herauslösung der wirtschaftlich gesunden Hypo Österreich mit über 430 Beschäftigten beigetragen und Haftungen von derzeit 687 Millionen übernommen. Als ordentlicher Kaufmann muss ich dafür sorgen, dass diese Summe gedeckt ist - und dazu brauche ich den Zukunftsfonds.

STANDARD: Die Bank brauche die Haftung gar nicht, sagt ihr Chef.

Kaiser: Das glaube ich gerne, aber verlassen kann ich mich nach den jüngsten Lehren darauf nicht. Ehe die Haftungen nicht 2017 abgeklungen sind, wird der Zukunftsfonds nicht angetastet. Kärnten hat bereits sehr viel zur Hypo-Bewältigung beigetragen - mehr als jedes andere Bundesland.

STANDARD: Heißt das, Sie wollen auch die Haftungsprovision für die Kärntner Hypo behalten?

Kaiser: Wichtig ist jetzt einmal, mit der Abwicklung der Hypo zu beginnen und möglichst viele der Assets zu veräußern. Über die Haftungsprovisionen muss gesondert verhandelt werden.

STANDARD: Sie spekulieren, dass die Haftungen nicht gültig sind. Warum dann keine Insolvenz?

Kaiser: Ich bin gegen eine Insolvenz, weil sie mit vielen unabwägbaren Risiken versehen ist. Nur, falls es doch so weit kommt, werden wir uns nicht widerstandslos ergeben - deshalb meine Ankündigung, die Haftungen juristisch anzugreifen. Ich kann ja nicht ohne Gegenwehr zuschauen, wie mein Land die Drau runtergeht.

STANDARD: Ex-Hypo-Aufsichtsratschef Johannes Ditz meint, der Staat hätte sich Milliarden erspart, hätte die Regierung in der Hypo-Causa nicht gezaudert. Haben Sie denn Vertrauen in die Koalition?

Kaiser: Ja. Ich habe die Bad Bank zwar auch schon viel früher gefordert, doch die neue Regierung stellt sich dem Problem - das ringt mir Respekt ab. Wir sind in einer schicksalhaften Situation zusammengeschweißt und können nur zusammen das Beste erreichen: den Schaden für den Bürger möglichst in Grenzen zu halten.

STANDARD: Wie viele Milliarden auch immer: Blechen wird der gewöhnliche Steuerzahler. Genau das wollte die SPÖ doch immer verhindern. Wie wäre es zum Beispiel mit einer höheren Bankenabgabe?

Kaiser: Ich habe durchaus meine Vorstellungen von einer gerechteren Welt, sehe aber auch ein: Es ist unklug, in der derzeitigen Situation so eine Debatte anzuzetteln.

STANDARD: Den Streit um die Kärntner Polizeiposten, die Ihnen die Regierung zusperren will, scheuen Sie hingegen nicht. Welche Druckmittel wollen Sie noch einsetzen?

Kaiser: Die Kraft der Argumente hat leider nicht ausgereicht. Die Innenministerin hat zwei ausgestreckte Hände mit 22 Bürgermeister-Fingern ausgeschlagen, und damit auch die Chance einer gemeinsamen Reform. Solange die Posten noch nicht geschlossen sind, werden wir kämpfen.

STANDARD: Wer ins Land hineinhört, den packt das Gefühl, dass die FPÖ trotz allem im Aufwind ist. Ist das für Sie, der eine Wende versprach, nicht zum Verzweifeln?

Kaiser: Als Soziologe siedle ich das Potenzial der FPÖ immer zwischen 25 und 30 Prozent an. Es liegt am Geschick der Sozialdemokratie, unsere Position zu behaupten, indem wir die gravierenden Unterschiede klarmachen: Diese bestehen nicht nur im Kampf gegen Kärntens negatives Triple-A Arbeitslosigkeit, Armut und Abwanderung, sondern auch im respektvollen Umgang im Land.

STANDARD: Ist die Politik des Maulheldentums und Geschenkeverteilens überhaupt auszutreiben?

Kaiser: Wir versuchen zumindest mit gutem Beispiel voranzugehen - bis ins Detail: Es gibt nur mehr eine zentrale Stelle, wo Pokale, Preise und Ähnliches ausgeben werden. Die Eigenwerbung haben wir auf null geschraubt und nehmen dadurch in Kauf, unsere Leistungen nicht mehr vermarkten zu können. Dass wir mit diesem Stil einen Wahlkampf gewonnen haben, hat sogar in politologischen Arbeiten Widerhall gefunden.

STANDARD: Manches riecht aber nach altem Stil: Sie brachten sich in den Verdacht, das Land gezielt zurückfärben zu wollen.

Kaiser: Ich habe nur solche Posten politisch besetzt, die einer absoluten Vertrauensperson bedürfen ...

STANDARD: ... was sich schnell von einer Stelle behaupten lässt.

Kaiser: Ich setze das Argument aber nicht x-beliebig ein. Es geht nur um zwei, drei Funktionen wie den Pressechef des Landes. Ich kann dort nicht jemanden belassen, der mich zu Zeiten der FP-Regierung ständig zensiert hat.

STANDARD: Und warum muss ausgerechnet Ihr Büroleiter Vorstand in den Krankenanstalten werden?

Kaiser: Weil ihn das einstimmig beschlossene und vom Unternehmensberater Deloitte erstellte Anforderungsprofil haushoch als Bestqualifizierten ausgewiesen hat. Ich hätte ihm die Bewerbung höchstens verbieten können, weil es für mich unangenehm wird - doch das entspricht nicht meinem Verständnis von Gerechtigkeit.

STANDARD: So gut der Mann auch sein mag: Ist so eine Bestellung kurz nach dem Machtwechsel nicht ein No-Go, um jeden Postenschacherverdacht zu ersticken?

Kaiser: Hätte ich die Vorgängerin fuhrwerken lassen sollen, bis die Krankenanstalten am Rande des Abgrunds stehen? Ich betreibe nicht nur Schönwetterpolitik, sondern packe auch heikle Dinge an - während meine Vorgänger die Klippen stets umschifft haben.

STANDARD: Sie gelten als ein Mentor des SPÖ-EU-Wahlkandidaten Eugen Freund. Stört es Sie nicht, dass er bisweilen abgehoben wirkt?

Kaiser: Ich kenne und schätze ihn zu lange, um jedes Vorurteil ernst zu nehmen. Mit solchen Zuschreibungen bin ich doch selbst groß geworden: Der Kaiser ist zu introvertiert, intellektuell, kann nicht auf Menschen zugehen, der soll auf einer Hinterbank seine Ideologien weiterspinnen - und schauen Sie, was daraus geworden ist!

STANDARD: Um daran anzuknüpfen: Ist der Fasching in Kärnten für einen wie Sie auszuhalten?

Kaiser: Weil ein Tonband mitläuft: ja! (lacht) Aber ich gestehe: Bevor ich in die Landespolitik kam, war ich auf keiner einzigen Faschingssitzung. Mittlerweile kann ich immer wieder mitlachen, es gibt so etwas wie eine Faschingssozialisation. Die Profis erklären mir: Wenn du in den Schmähs nicht vorkommst, machst du was falsch. (Gerald John, DER STANDARD, 15.2.2014)