Eine "galoppierende Azurophilie": Mit diesen Worten hatte der renommierte Psychiater und Neurologe Dr. Stanislaw Szaczinsky das Ergebnis seiner Untersuchungen Marion Cotillard gegenüber abschließend auf den Punkt gebracht. Man solle die Sache ernst nehmen, jedoch nicht überbewerten. Bei diesem Krankheitsbild würden sich die Symptome nach einigen Monaten meist von selbst verlaufen.

Es hatte alles mit dem Besuch des Hotels Parco dei Principe in Sorrent angefangen. Das Hotel des famosen Architekten Giò Ponti – man sollte unbedingt auch sein italienisches Kulturinstitut in Stockholm gesehen haben – war fast ausschließlich in verschiedenen Blautönen gehalten. "Das Principe stammt aus einer Zeit, in der Luftkissenboote, enge Badehosen aus Frottee und die Corporate Identity der Fluglinie PanAm den Weg in eine optimistisch erwartete und euphorisch moderne Zukunft deuteten", so hatten es Christian Kracht und Eckhart Nickel in ihrem entschleunigt erzählenden Reiseführer "Ferien für immer" beschrieben. Im Parco dei Principe hatte Marion Cottilard erstmals dieses Hochgefühl verspürt, das gewisse Blautöne in ihr auslösten.


Foto: Lukas Friesenbichler

Sie hatte schon einige Wochen nicht mehr an dieses Erlebnis gedacht, als sie bei einem kurzen Aufenthalt in Salzburg zufällig die Basilika Maria Plain besuchte. Dieses intensive, kräftige Blau am Hochaltar und auf der Kanzel... Der Katholizismus hatte schon auch seine schönen Seiten.

Mit dem Maria Plain-Erlebnis brachen bei der berühmten französischen Schauspielerin alle Dämme der Zurückhaltung. Sie rauchte nunmehr ausschließlich Zigaretten der Marke Nil; bei ihrem Wien-Besuch zu Anfang letzten Herbstes – sie hatte einige Drehtage für eine französisch-russisch-deutsche Koproduktion zu absolvieren -  ließ sie ihren Assistenten Jean-Philippe alle einschlägigen Orte für Azurophile recherchieren.

Als erstes besuchte sie das Gasthaus Blauensteiner – mmmh, so ein leckeres Kalbsherz hatte sie noch selten gegessen. In einer Galerie im ersten Bezirk schaute sie sich Arbeiten eines Schülers von Hermann Nitsch an, der Schüttbilder in einer etwas filigraneren, poetischeren Ausführung verfertigte als sein Lehrer. Und ausschließlich in der Farbe Blau... Dazu passte dieses Kleid von Dior, das sie nach einem Shooting für sich reklamiert hatte, natürlich ideal.

Jetzt noch auf einen Cocktail zur blauen Stunde ins Café Blaustern, und der Tag war perfekt. (Stefan Ender, derStandard.at, 16.02.2014)