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Eintauchen in den virtuellen Raum - zum Beispiel, um noch nicht gebaute Architektur zu erkunden und zu testen.

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Per "Virtualizer" in die Pixelwelt: Um ganz in virtuelle Umgebungen einzutauchen, muss der Körper zum "Eingabegerät" werden.

Foto: Cyberith

Ein Drache kreist feuerspeiend am Himmel. Der junge Mann, der mit einem Bogen Pfeile in die Richtung des Ungetüms schickt, sitzt nicht bequem vor seiner Konsole. Er steht, eingeschnürt in einen Klettergurt und umschlossen von einem Metallring auf einer kreisrunden Fläche, während er sich durch die Videospielwelt von Skyrim bewegt. Seine Socken rutschen Schritte imitierend über den Belag. In der Hand hält er bewegungssensible Controller, mit denen er in der Fantasywelt Pfeile schießt oder auf Riesenspinnen einhackt. Auf dem Kopf trägt der Spieler eine Virtual-Reality(VR)-Brille, die sein gesamtes Gesichtsfeld mit einer real erscheinenden Welt füllt.

Der "Virtualizer", der die Bewegungen des Körpers in die künstliche Welt überträgt, könnte bereits 2015 zur Wohnzimmerausstattung gehören - gemeinsam mit der VR-Brille Oculus Rift. Vorerst ist das Equipment nur Entwicklern zugänglich. Tuncay Cakmak, Gründer des Start-ups Cyberith, schraubt in Herzogenburg in Niederösterreich zurzeit am dritten Prototyp des Eingabegeräts. Ein neuartiger Kunststoffbelag soll etwa das rutschende Gehen vereinfachen. Die Softwarewerkzeuge müssen optimiert werden, um ein stufenloses Ducken und Springen zu erlauben. Das Projekt des TU-Wien-Studenten ist zum Firmenprojekt geworden, unterstützt vom universitären Gründerservice Inits, einer vom Infrastrukturministerium finanzierten Stelle. Eine Crowdfunding-Initiative soll, ähnlich wie es die Oculus-Rift-Brille sehr erfolgreich vorgezeigt hat, noch zusätzliche Mittel bringen, um den Virtualizer auf den Markt zu bringen.

Der Datenbrille aus Kalifornien wird das Potenzial zugestanden, das völlige Abtauchen in virtuelle Welten zum Volkssport machen zu können. Gemeinsam mit Konzepten wie dem Virtualizer, die den ganzen Körper zum Interface machen und seine Bewegungen möglichst authentisch übertragen, eifern die Entwickler jener Vorstellung eines "Holodeck" nach, die die TV-Serie Star Trek populär machte.

Die Idee einer virtuellen Realität verfestigte sich bereits in der Sciene-Fiction-Literatur der 1950-er-Jahre. Ray Bradbury etwa beschreibt in der Kurzgeschichte The Veldt ein Zimmer in einem vollautomatisierten Heim, das per Telepathie die Vorstellungen der Kinder in Wirklichkeit verwandelt. Die Star Trek-Macher erdachten dann holografische Projektionen, die eine haptisch erfahrbare virtuelle Welt schaffen - eine Vorstellung, die nach wie vor unerreichbar scheint.

Was tatsächlich erreichbar ist, lotet Hannes Kaufmann, Cakmaks Professor am Institut für Softwaretechnik und Interaktive Systeme der TU Wien, aus. Beispielsweise lässt er virtuelle Labyrinthe errechnen, die ihre Besucher austricksen. Dabei betreten VR-Brillenträger immer neue Räume auf einem scheinbar riesigen Areal. Die Anordnung der virtuellen Räume ist aber so ausgeklügelt, dass die Benutzer im realen Raum nur wenige Quadratmeter für ihre Entdeckungsreise benötigen.

Eintauchen ohne Kollision

Reale Bewegung im vorgespiegelten Raum endet somit nicht mit Kollisionen mit der Wand oder mit anderen Personen. Anwendungsgebiete könnten virtuelle Museen oder Bewegungstherapien sein.

Bevor ein längerer virtueller Museumsbesuch ansteht, müssen die Entwickler aber erst mit dem Problem der sogenannten Cybersickness fertig werden. Dreht man den Kopf, reagiert die virtuelle Welt mit Verzögerung auf die Bewegung, was einen "Konflikt im Gehirn" erzeugt, erklärt Kaufmann. Wie Schwindel und Kopfweh dabei genau entstehen, ist nicht geklärt. Bessere Displays und kürzere Rechenzeiten sollen das Problem abschwächen.

Aufwändige Simulations- und Forschungsaufgaben im Virtuellen Raum werden in sogenannten Caves, in automatisierten virtuellen Umgebungen, durchgeführt. Caves sind tatsächliche Räume, auf deren Wänden Inhalte entsprechend der Position des Benutzers im Raum projiziert werden. Mit ihnen werden Space-Shuttle- und Flugzeuginnenräume simuliert oder industrielle oder medizinische Trainings absolviert.

Marc Busch, Christina Hochleitner und Manfred Tscheligi vom Center for Usability Research (Cure) schickten im Rahmen des EU-Projekts uTRUSTit etwa Menschen samt Smartphone oder Tablet in die Cave der Universität Chemnitz, um künftige Büros und Eigenheime benutzerfreundlicher zu gestalten. In den realistisch anmutenden Umgebungen eines Wohnzimmers verschafften sich Probanden einen Überblick über die Geräte im "Internet der Dinge", vom interaktiven Medizinschrank bis zur automatischen Lichtsteuerung. Sie mussten per App auf ihrem Tablet Musik auf der Audioanlage abspielen oder der Reinigungskraft einen elektronischen Schlüssel für die Haustür ausstellen.

Feedback für den Körper

Bis es den Cave-Besuchern gelang, mittels Körperbewegungen - etwa durch Drehen des Oberkörpers - durch den virtuellen Raum zu navigieren, dauerte es nur kurze Zeit.

Für Hannes Kaufmann von der TU Wien bleibt trotz Cave und Virtualizer die Umsetzung eines adäquaten Interfaces - das den menschlichen Körper richtig erfassen kann, um ihn in die virtuelle Welt zu transferieren - eine der Baustellen der VR-Technologie der Zukunft. Eine andere Frage ist, wie man dem Körper, abgesehen von physischen und akustische Reizen, Feedback geben, ihn "etwas spüren lassen" kann. Ihre Beantwortung führt dann vielleicht tatsächlich in die Nähe jener Vorstellung eines Holodeck, das Star Trek im kollektiven Gedächtnis verankert hat. (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 12.2.2014)