Wien - Gegen die organisierte, auf Taschendiebstähle spezialisierte "Kinderbande", die in der Bundeshauptstadt seit längerem ihr Unwesen treibt und der möglicherweise noch strafunmündige Buben und Mädchen angehören, ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien seit eineinhalb Jahren. Wie Behördensprecherin Nina Bussek am Dienstag auf Anfrage der APA erklärte, befinden sich 72 Personen im Visier der Justiz.

"Es laufen Ermittlungen gegen 59 Mädchen und 13 Buben", sagte Bussek. Aus Sicht der Anklagebehörde sind jedenfalls der Bursch, der am vergangenen Freitag wegen gerichtlich vermuteter Unmündigkeit freigesprochen und enthaftet wurde, sowie das Mädchen, das sich noch in U-Haft befindet und am kommenden Freitag vor Gericht zu verantworten hat, über 14 und damit strafmündig. Das Mädchen habe nicht nur bei der Polizei, sondern auch bei der Jugendgerichtshilfe, wo im Rahmen einer psychologischen Abklärung ihre geistige Reife untersucht wurde, ihr wahres Alter mit 16 angegeben, betonte Bussek.

"Alle legalen Ermittlungsmethoden"

Unmittelbar nach ihrer Festnahme am 22. Jänner hatte das Mädchen erklärt, 13 Jahre alt zu sein. Zu ihrer bevorstehenden Verhandlung wird diesmal auch das Jugendamt geladen, wie Gerichtssprecherin Christina Salzborn bekannt gab. Richterin Martina Frank, die die Verhandlung leiten wird, habe das für den neunten Bezirk zuständige Amt für Jugend und Familie per Fax geladen. "Das ist an sich vorgesehen und üblich", sagte Salzborn gegenüber der APA. Im Prozess gegen den Buben war kein MAG Elf-Vertreter zugegen gewesen: Dieser Richter hatte von einer Ladung Abstand genommen und den Verteidiger des Burschen mit der gesetzlichen Vertretung betraut.

Indessen trat Heinz Patzelt, Österreich-Generalsekretär von Amnesty International, im Gespräch mit der APA für "alle legalen Ermittlungsmethoden" ein, "um in dieser Sache die eigentlichen kriminellen Hintermänner dingfest zu machen und damit dieser besonders widerwärtigen Form von Kriminalität zulasten von Kindern und Jugendlichen einen wirksamen Riegel vorzuschieben". In Bezug auf letztere habe die Justiz "alle Verfahrensregeln zu beachten, die für das Kindeswohl geboten und nützlich sind".

Ausbildung durch Hintermänner

Von der Staatsanwaltschaft verlangte Patzelt, "zum ehestmöglichen Zeitpunkt im Ermittlungsverfahren" den Kontakt mit den Jugendwohlfahrtsbehörden zu suchen, wenn Minderjährige unter Diebstahls-Verdacht geraten bzw. festgenommen werden. Die Gerichte hätten "allfällige Versäumnisse von Polizei und Staatsanwaltschaft spätestens vor der Verhandlung auszugleichen und jedenfalls dem Jugendamt eine Teilnahme an der Verhandlung an der Seite des Jugendlichen zu ermöglichen".

Man sei natürlich vorrangig bestrebt, an die Hintermänner heranzukommen, welche die oft noch minderjährigen Jugendlichen als Taschendiebe ausbilden, in Banden organisieren und losschicken, hieß es dazu bei der Staatsanwaltschaft. Es sei bisher allerdings nicht gelungen, diese auszuforschen, bedauerte Behördensprecherin Bussek. Die Kinder und Jugendlichen seien "nicht observierbar". Selbst dem Bundeskriminalamt sei es nicht gelungen, die jungen Verdächtigen durchgehend zu überwachen, zumal diese offenbar gezielt darauf geschult werden, sich allfälligen Beobachtern und Verfolgern zu entziehen, indem sie etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln laufend die Waggons wechseln und in Sekundenbruchteilen entscheiden, zu- oder doch auszusteigen. (APA, 11.2.2014)