Die Schweizerische Volkspartei kann jubeln. Sie hat in der Volksinitiative "Gegen Masseneinwanderung" einen für Rechtspopulisten typischen Erfolg errungen. So knapp das Ergebnis auch sein mag, die Partei um Volkstribun Christoph Blocher erreichte vor allem eines: Sie hat Stimmung gemacht, das Land gespalten - ohne eine tragfähige Lösung in der Sache anbieten zu müssen.

Damit darf sich jetzt die Regierung in Bern herumschlagen. Diese war offenbar unfähig, ihren Bürgern zu erklären, warum das Zündeln an einem Teilvertrag der komplexen Vereinbarungen der Schweiz mit der EU für das kleine stark exportabhängige Land selber durchaus riskant ist.

Das Ergebnis sorgt für politische Verunsicherung. Die deutschsprachige Ostschweiz und das Tessin stimmten für die Initiative; die Frankophonen im Westen lehnten die SVP-Attacke gegen eine vermeintliche EU-Ausländerflut ab; Städte und Ballungszentren sind aufgesplittert.

So etwas freut Populisten. Aber was soll nun mit dem einen bilateralen Vertrag geschehen, der natürlich nicht auf "Massenzuwanderung" abzielt, sondern freien Zugang von Personen zu den jeweiligen Arbeitsmärkten in der Schweiz und der EU unter ganz bestimmten Kriterien regelt? Auch für viele Österreicher?

Ein "Weg damit!" von Blocher und Co ist leicht gesagt. Aber so einfach ist es nicht. Das Personenabkommen ist Teil eines umfassenden Werks von bilateralen Verträgen. Sie sind eng miteinander verknüpft, völkerrechtlich verbindlich, von den Parlamenten beschlossen - eine Art EU-Beitrittsvertrag light. Sie zielen als Ganzes auf offene Märkte ohne Grenzkontrollen ab, auf Wirtschaftsankurbelung, erleichterten Austausch von Waren, Technologie, Forschung, regeln damit verbundene Verpflichtungen.

Das bringt allen Vor- und Nachteile, der Schweiz wie den EU-Ländern. Eine Klausel verbietet, dass ein Land nur die Vorteile abräumt, nach Gutdünken einen (von sieben) Teilverträgen einfach so aufkündigt. Am Zug ist daher die schweizerische Regierung. Sie muss der EU-Kommission in Brüssel einen Vorschlag machen. Kaum anzunehmen, dass Bern sich ganz von der EU abwenden will. Das Land würde sich damit ins eigene Knie schießen, wirtschaftlich und politisch. Dann wird man verhandeln müssen. Die Ironie dabei: Damit kommen jene Themen aufs Tapet, die die Schweiz seit langem blockiert, angefangen bei Steuerfragen und der Lockerung des strengen Bankgeheimnisses. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 10.2.2014)