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Mahir Zeynalow

Foto: AP Photo/Today's Zaman

Der erste ausländische Journalist, der seit der Reuters-Korrespondentin Aliza Marcus in den 1990er-Jahren wegen einer bevorstehenden Deportation die Türkei verlassen musste, landete Freitag in seiner Heimatstadt Baku – im autoritär regierten Azerbaidschan. Mahir Zeynalow, ein Mitarbeiter der türkischen Tageszeitung Zaman , wurde wegen zweier Twittermeldungen ausgewiesen, die sich gegen die Regierung von Premier Tayyip Erdogan richteten. Der stellvertretende türkische Polizeichef hatte das  Aufenthaltsverbot Anfang Februar im Auftrag des neuen Innenministers unterzeichnet, meldete Zaman, die auflagenstärkste Zeitung der Türkei und dem Prediger Fethullah Gülen  nahe stehend.

Die Ausweisung des 27-jährigen Aserbaidschaners ebenso wie die Annahme eines neuen Gesetzes zur Zensur des Internets vergangenen Mittwoch im Parlament in Ankara haben international Kritik ausgelöst. Nach Erweiterungskommissar Stefan Füle und einigen führenden EU-Parlamentariern nahm auch die Sprecherin des US-Außenministeriums Stellung. Sie nannte die Berichte aus der Türkei über Zensur und Ausweisung „beunruhigend". Die Türkei sei eine Demokratie und ein Verbündeter, der freie Meinungsäußerung aufrechtzuerhalten habe.

Der türkische EU-Minister Mevlüt Çavuşoglu verteidigte die Verschärfung der Internetkontrolle in einer in der Nacht zu Samstag ausgesandten Stellungnahme. Das neue Gesetz sei wegen der „dynamischen Natur des Internets" notwendig gewesen. Nach Auffassung der Opposition dagegen versucht die türkische Regierung, mit dem Gesetz die Flut kompromittierender Tondokumente und Informationen aus den Ermittlungsakten suspendierter Staatsanwälte zu Korruptionsvorwürfen gegen die Regierung Erdogan einzudämmen.

"Schädlicher" Inhalt

Das neue Gesetz erlaube eine bessere Verhältnismäßigkeit beim staatlichen Eingriff ins Internet, so erklärte der EU-Minister, weil nun nur „schädlicher Inhalt" auf einer Webseite blockiert werden können und nicht mehr gleich die gesamte Internetseite. Die Türkei hatte in der Vergangenheit jahrelang YouTube gesperrt und kürzlich vorübergehend auch Vimeo.  Als kritischster Punkt der neuen Regelung gilt, dass die türkische Telekommunikationsbehörde im Alleingang und ohne vorherigen richterlichen Beschluss Webseiten sperren kann. Çavuşoglu relativierte auch dies. Nach einer Blockierung müsse binnen 24 Stunden ein Gericht mit der dem Fall befasst werden, welches dann innerhalb von 48 Stunden eine Entscheidung über Fortsetzung oder Aufhebung der Blockierung zu fällen habe.

Der Sprecher der Regierungspartei, Hüseyin Çelik, machte dieselben Argumente geltend. Vorher seien ganze Internetadressen gesperrt worden, nun würden nur einzelne Seiten geblockt. „Heißt das, die Freiheiten zu erweitern oder kleiner zu machen", fragte er rhetorisch in einem Interview mit CNN Türk.

"Wir sind nicht China"

„Wir sind nicht China", fuhr Çelik fort, „wir machen keine Zensur wie in China". Doch das Internet sei kein Ort, an dem man die „schlimmsten Flüche" verbreiten dürfe.

Ein weiterer Abgeordneter der regierenden konservativ-religiösen AKP trat aus Protest gegen Erdogans abfällige Äußerungen gegenüber dem Prediger Gülen und wegen der Unterbindung der Korruptionsermittlungen aus der Partei aus. Ilhan Işbilen, ein 67-jähriger Geschäftsmann und Abgeordneter für die Provinz Izmir, ist damit der neunte Parlamentarier, der seit Beginn des offenen Konflikts im islamischen Lager im November vergangenen Jahres die Fraktion verlässt.

Für Samstagabend haben Gegner der Internetzensur zu einer Demonstration auf dem Taksim-Platz in Istanbul aufgerufen. (Markus Bernath, derStandard.at, 8.2.2014)