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Expremier Koizumi (links) wirbt für Atomkraftgegner Hosokawa (Mitte).

Foto: APA/EPA/Ota

Ursprünglich sollten die 10,8 Millionen Wahlberechtigten Tokios am Sonntag nur über lokale Themen abstimmen. Danach sah es zumindest aus, als der bisherige Gouverneur, Naoki Inose, im Dezember wegen der Annahme fragwürdiger Spendengelder seinen Hut nehmen musste. Doch inzwischen hat sich die Entscheidung zu einer Richtungswahl entwickelt – für oder gegen die landesweite Nutzung von Atomenergie.

Auf der Tagesordnung ist das Thema, seit der frühere Regierungschef (1993–1994) und vehemente Kernenergiegegner Morihiro Hosokawa vor einigen Wochen seine Kandidatur für den Gouverneursposten ankündigte. Seither diskutieren er und 15 weitere Bewerber nicht nur über die Verbesserung der Infrastruktur, den Ausbau von Kinderbetreuung und Altersheimen sowie die Vorbereitung der Olympischen Sommerspiele 2020, sondern auch über die nationale Energiepolitik.

Unterstützt wird der 76-jährige Hosokawa, der sich vor fast 20 Jahren nach einem Skandal zurückgezogen hat, von einem weiteren Expremier: Junichiro Koizumi. Sie kämpfen gegen Pläne von Regierungschef Shinzo Abe, lieber früher als später einige der derzeit stillgelegten Reaktoren wieder ans Netz zu bringen; womöglich schon in diesem Juli.

Derzeit ist keiner der etwa 50 japanischen Atommeiler in Betrieb. Viele Kraftwerke müssen zuvor auf Erdbebensicherheit getestet werden. Andere sollen dauerhaft ausgeschaltet bleiben. Um dennoch genügend Energie für den heimischen Bedarf produzieren zu können, importieren die Betreibergesellschaften Öl und Gas, was Japans Handelsbilanz belastet und die Strompreise hebt.

Atomausstieg wohl Illusion

In Tokio, wo rund ein Zehntel der Energie des Landes verbraucht wird, gibt es keine Atomkraftwerke. Der einzige Trumpf, den Hosokawa nach einem Wahlsieg in der Hand halten würde, wäre ein Anteil von 1,2 Prozent an Tepco, den die Stadtregierung besitzt. Das gäbe ihm einen gewissen Einfluss auf das Unternehmen und ein Druckmittel gegen die Regierung. Allerdings müsste er nach einem Sieg zunächst Tokios Stadtparlament hinter sich bringen, wo die Regierungskoalition aus Liberaldemokratischer Partei (LDP) und New Komeito die Mehrheit hält.

So weit wird es aber wohl gar nicht kommen: Glaubt man Umfragen, dürfte Yoichi Masuzoe das Rennen machen. Der ehemalige Gesundheitsminister ist der bekannteste Bewerber für den Gouverneursposten. Obwohl er 2010 aus der LDP ausgeschieden ist, hat er Abes Unterstützung. Auch Japans mächtigste Gewerkschaft wirbt für Masuzoe. Der 65-Jährige hat sich für eine graduelle Reduzierung der Kernenergienutzung ausgesprochen und bewegt sich damit auf der Linie der Regierung.

Zudem verspricht er, die Zahl der Kinderbetreuungsplätze zu erhöhen und die Betreuung von alten Menschen zu verbessern. Sein Versprechen, "die bisher besten Olympischen und Paralympischen Spiele"  anzustreben, dürfte in den Ohren vieler Einwohner deutlich attraktiver klingen als Hosokawas Forderung nach "einfachen und anmutigen Spielen" .

In den Umfragen auf Platz drei und vier liegen Rechtsanwalt Kenji Utsunomiya und Toshio Tamogami, ein früherer Chef der Luftwaffenstreitkräfte. Während Utsunomiya – ebenfalls Atomkraftgegner – soziale Themen wie Einkommensgleichheit und Überstunden in den Mittelpunkt seiner Kampagne gerückt hat, wirbt Tamogami mit seinen Erfahrungen im Katastrophenschutz und will Tokio für den Fall eines großen Erdbebens wappnen. (Birga Teske aus Tokio /DER STANDARD, 8.2.2014)