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London, 19. Dezember 2013: Aufbau der Schaustellung für die zwei Monate später bei Christie's anberaumte Miró-Auktion.

Foto: AP/L.Pitarakis

Mit 36,4 Millionen Euro hatte Christie's die Erwartungen für 85 Werke von Joan Miró beziffert, die im Auftrag von Portugals (rechtskonservativer) Regierung in London hätten versteigert werden sollen. Die Kollektion stammte aus dem Bestand der Ende 2008 notverstaatlichten Banco Português de Negócios (BPN). Insofern: Peanuts, verglichen mit den vorläufigen Kosten der BPN-Rettung von derzeit 2,8 Milliarden Euro.

Schon vor Monaten hatte sich - unterstützt von der Opposition - heftiger Widerstand in Portugal formiert. Die Frage des Umgangs mit Kulturerbe wurde ebenso öffentlich diskutiert wie der Vorwurf des Verramschens von Miró-Massen. Seit Anfang Jänner unterzeichneten knapp 10.000 Bürger eine Petition gegen den Verkauf.

Schließlich wurde bekannt, dass die Kunstwerke illegal außer Landes geschafft wurden: Denn der Ausfuhrantrag hätte spätestens 30 Kalendertage vor der Auktion einlangen sollen. Laut Berichten portugiesischer Medien lag dieser jedoch erst mit deutlicher Verspätung am 15. Jänner vor. Da schmückte die Kollektion längst den Christie' s-Showroom in London. Bereits am 19. Dezember hatte man mit dem Ausstellungsaufbau begonnen, wie STANDARD-Recherchen belegen.

Am 5. Februar sollten die 85 Arbeiten auf drei Sitzungen verteilt versteigert werden. Dazu kam es nicht. Kurz vor der Auktion hatte ein Gericht in Lissabon zwar grünes Licht erteilt, dann aber erwirkte die portugiesische Staatsanwaltschaft eine einstweilige Verfügung, und Christie's sagte die Versteigerung "wegen rechtlicher Unsicherheiten" ab.

Seltsamer Wertschwund

Nun ermittelt die Polizei im Finanzministerium, und auch Christie's habe man bereits auf dem Radar. "Gesetzliche Verpflichtungen wurden nicht eingehalten", nimmt sogar Premier Pedro Passos Coelho das Auktionshaus in aller Öffentlichkeit in die Pflicht. Dessen ungeachtet: Die Entscheidung zum Verkauf sei getroffen, so Coelho.

Diese Chronologie ist allerdings nur ein Aspekt der Geschichte, ein weiterer ist die Herkunft. Laut Ex-BPN-Direktor José Oliveira e Costa solle man sich darüber nicht zu viele Gedanken machen.

Jedoch haben die 85 Positionen einen durchaus ungewöhnlichen gemeinsamen Nenner: Sie alle wechselten aus japanischem (Galerist Kazumasa Katsura) in portugiesischen Privatbesitz. Von dort gelangten die Mirós wiederum in drei Tranchen 2003, 2005 und 2006 in den Besitz der BPN.

Bürgschaften für unbediente Kredite? Vermutlich und laut Medienberichten (Jornal de Negócios) in zumindest einem Fall nachweisbar - bei einem Kredit, den Alejandro Agag, Schwiegersohn des spanischen Ex-Premiers José María Aznar und 2002 bis 2006 als BPN-Berater tätig, vermittelt hatte.

2007 kam Christie's ins Spiel und schätzte den Versicherungswert der zu diesem Zeitpunkt im Besitz der BPN befindlichen Kunstwerke. Und dieser variierte: Mit 150 Millionen Euro bezifferte ihn Miguel Cadilhe (Ex-BPN/SLN-Chef) im Jahr 2008. In der BPN-Bilanz von 2007 schienen allerdings nur 81 Millionen Euro auf.

Dem Vernehmen nach war die Schätzung für die aktuell offerierte Kollektion durch Christie's wegen jüngerer Miró-Rekorde höher ausgefallen als 2007. Das wirft weitere Fragen auf. Etwa nach dem Verbleib jener Werke aus BPN-Bestand, der den Wertschwund von 150 bzw. 81 auf 36,4 Millionen Euro erklären würde. Oder ob diese womöglich längst hinter den Kulissen über einen Private Sale den Besitzer wechselten. (Jan Marot und Olga Kronsteiner, Album, DER STANDARD, 8./9.2.2014)