Schratzenstaller: "Die Gesamtabgabenbelastung darf nicht erhöht werden, denn diese ist in Österreich schon relativ hoch."

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In die Frage, ob die Länder selbst Steuern einnehmen sollen, kommt Bewegung, was Wifo-Steuerexpertin Margit Schratzenstaller begrüßt: "Unter den Experten herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Länder- und Gemeindeautonomie zu stärken ist." Welche Steuern in welcher Form für eine Verländerung infrage kommen würden und weshalb Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Ländern zu begrüßen ist, erklärt sie im Gespräch mit derStandard.at.

derStandard.at: Was halten Sie von der Idee, Teile der Steuerhoheit in die Länder zu verlegen?

Schratzenstaller: Grundsätzlich halte ich sehr viel davon. Das wäre ein wichtiges Element einer Reform des österreichischen Föderalismus, die dafür sorgt, dass auch die Ausgabenverwendung effizienter wird. Derzeit haben wir das Problem, dass die Länder Mittel ausgeben, für deren Einbringung sie nicht verantwortlich sind. Das ist ein grundlegender Konstruktionsfehler im österreichischen Föderalismus. Diesen aufzubrechen halte ich für einen sehr sinnvollen Ansatz.

derStandard.at: Warum hat man die Reform dann nicht schon längst in Angriff genommen?

Schratzenstaller: In den letzten Finanzausgleichsverhandlungen ist diese Forderung regelmäßig vonseiten des Bundes auf den Tisch gekommen. Die Länder haben bisher abgeblockt.

derStandard.at: Warum haben die Länder abgeblockt?

Schratzenstaller: Auf der einen Seite ist es eine bequeme Position, wenn man nicht selbst verantwortlich ist. Das ist aber genau ein zentrales Argumente dafür, weshalb es sinnvoll ist, die Abgabenhoheit zur stärken. Die Länder müssen sich dann vor den Steuerzahlern, also Unternehmern und Bürgern, stärker dafür verantworten, was sie eigentlich mit dem Geld machen. Wir erwarten, dass es Effizienzgewinne gibt, weil der Druck auf die Länder steigt, die öffentlichen Leistungen kostengünstiger zur Verfügung zu stellen. Außerdem steigt der Druck, wirklich jene Leistungen zur Verfügung zu stellen, die die Steuerzahler tatsächlich wünschen. Andererseits würden auch die Länder von einer höheren Steuerautonomie profitieren - sie wären unabhängigen von der Steuerpolitik des Bundes und auch von den diversen Transferleistungen der anderen Gebietskörperschaften.

derStandard.at: Welche Steuern könnte man verländern?

Schratzenstaller: Das ist eine Diskussion, die man grundsätzlich führen muss. Ich würde sehr ungern einzelne Steuern in die Manege werfen, weil man sich eine Balance der unterschiedlichen Wirkungen einer höheren Abgabenautonomie der Länder überlegen muss. Man muss sich darauf verständigen, wie stark der Wettbewerb zwischen den Ländern sein sollte. Es gibt Steuern, die wettbewerbsanfälliger als andere sind. Auch stellt sich die Frage, wie gleichmäßig die Mittelausstattung sein soll. Man muss sich grundsätzlich überlegen, welche Zielsetzung man mit einer Verländerung der Abgaben verfolgt. Generell sollte eher über eine Verländerung von Steuersätzen gesprochen werden, nicht über Regelungen zur Bemessungsgrundlage. Wenn jedes Land seine eigenen Steuerausnahmen setzt, wird das sehr intransparent.

derStandard.at: Wäre es denkbar, größere Steuern direkt den Ländern zu überlassen?

Schratzenstaller: Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, die großen Steuern, etwa die Körperschaftssteuer, die Umsatzsteuer oder die Einkommensteuer, zur Gänze den Ländern zu überantworten. Die großen Steuern sollten weiterhin bundeseinheitlich geregelt sein. Es wäre in diesem Fall sinnvoller, Zuschlagsrechte einzuräumen.

derStandard.at: Bei der Einkommensteuer gibt es eigentlich keinen Spielraum mehr nach oben.

Schratzenstaller: Die Gesamtabgabenbelastung darf nicht erhöht werden, denn diese ist in Österreich schon relativ hoch. Es geht um eine Umstrukturierung des Abgabensystems. Wenn es nur darauf hinausläuft, dass die Länder einfach zusätzliche Steuereinnahmen haben, wäre das keine richtige Stoßrichtung der Reform. Die Stärkung der Abgabenhoheit wäre übrigens auch für die Gemeinden angebracht.

derStandard.at: Besteht nicht die Gefahr, dass es zu einer weiteren Schwächung der schon jetzt strukturell benachteiligten Bundesländer kommt?

Schratzenstaller: Ja, deshalb muss man sich eingangs darauf verständigen, welche verteilungspolitischen Implikationen man hinnehmen will. Man kann unerwünschten Auswirkungen auf die Finanzausstattung von einzelnen Ländern durch einen ausgleichenden Transfermechanismus beikommen.

derStandard.at: Was würde es für den Bund bedeuten, wenn er weniger Steuern einnimmt?

Schratzenstaller: Vereinfacht gesagt: Der Bund hätte weniger Steuereinnahmen, müsste aber auch weniger Ertragsanteile an die Länder bezahlen. Der Bund würde idealtypisch plus/minus null aussteigen.

derStandard.at: Verliert der Bund Steuerungsmöglichkeiten der Länder, wenn er die Steuerhoheit abgibt?

Schratzenstaller: Das kommt darauf an, welche Steuern man an die Länder weitergibt. Werden Lenkungssteuern abgegeben, etwa Umweltsteuern, besteht die Gefahr, dass es einen ruinösen Steuerwettbewerb nach unten gibt. Man müsste sich überlegen, ob es sinnvoll ist, bestimmte Steuern an die Länder überhaupt zu übertragen - beziehungsweise ob Steueruntergrenzen eingeführt werden müssten.

derStandard.at: Müssten die Länder neue Strukturen schaffen, um die Steuern einzuheben?

Schratzenstaller: Man müsste meines Erachtens keine Parallelstrukturen aufbauen. Die einschlägigen Experten sagen, dass man trotzdem eine zentrale Einhebung machen könnte.

derStandard.at: Wird das Finanzministerium entmachtet, wenn der Bund die Steuerhoheit abgibt?

Schratzenstaller: Natürlich wird die Abgabenautonomie auf der Bundesebene eingeschränkt. Wenn eine höhere Abgabenautonomie der Länder dazu führt, dass sie nicht für jeden zusätzlichen Ausgabenbedarf beim Bund vorstellig werden, und wenn die höhere Abgabenautonomie auch mit einer entsprechenden Reduktion des derzeitigen Transferchaos sowie einer eindeutigeren Aufgabenzuordnung auf die Gebietskörperschaften einhergeht, profitiert auch der Bund.

derStandard.at: Wäre es denkbar, dass einzelne Steuern beispielsweise im Burgenland höher sind als in Vorarlberg? Oder müssten sich die Länder darauf verständigen, dass das einheitlich ist?

Schratzenstaller: Das ist die große Frage. Welche Unterschiede man zulassen will, bedarf einer Grundsatzdiskussion. Abgabenautonomie kann unterschiedliche Ausmaße und Ausprägungen annehmen. Die Kommunen haben derzeit zwei große eigene Steuern. Bei der Kommunalsteuer gibt es zwischen den Kommunen keine Unterschiede, diese ist bundeseinheitlich geregelt. Trotzdem gehen die Gemeinden mit diesem Geld anders um. Sie pflegen die Unternehmen besser, damit sie sich dort ansiedeln. Abgabenautonomie kann auch positive Effekte entfalten, ohne dass man große Unterschiede in den Steuersätzen hat. Bei der Grundsteuer haben die Länder bis zu einem gewissen Grad die Möglichkeit, den Steuersatz selbst festzusetzen. Das tun sie de facto aber nicht.

derStandard.at: Wie lange würde es dauern, eine derart komplexe Reform durchzusetzen?

Schratzenstaller: Es gibt eine Reihe von Vorarbeiten und Studien. Unter den Experten herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Länder- und Gemeindeautonomie zu stärken ist und dass das eine gute Sache wäre. Man hat im Regierungsprogramm vereinbart, dass der laufende Finanzausgleich bis Ende 2016 verlängert wird und dass eine Arbeitsgruppe eingesetzt wird, um eine Föderalismusreform vorzubereiten. Bis zum nächsten Jahr könnte man sich auf die Eckpunkte einer Förderalismusreform einigen. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 7.2.2014)