Karlsruhe - Das deutsche Bundesverfassungsgericht legt den umstrittenen Beschluss der Europäischen Zentralbank (EZB) über den theoretisch unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen ("OMT-Beschluss") dem Europäischen Gerichtshof zur Prüfung vor. Das teilte das Gericht am Freitag mit. Die EU-Kommission zeigte sich mit der Entscheidung zufrieden: "Wir begrüßen, dass das Gericht diese Frage an den Europäischen Gerichtshof verwiesen hat", sagte der Sprecher von Währungskommissar Olli Rehn am Freitag.

Die deutschen Verfassungsrichter gehen davon aus, dass die EZB mit dem Progamm ihre Kompetenzen überschritten hat. Möglicherweise lasse sich der Beschluss über die Anleihenkäufe jedoch so einschränken, dass er mit EU-Recht vereinbar werde. Es ist das erste Mal, dass die deutschen Verfassungsrichter dem EuGH eine Rechtsfrage zur Prüfung vorlegen.

Die EZB nahm die Entscheidung gelassen zur Kenntnis: "Die EZB unterstreicht erneut, dass das OMT-Programm im Rahmen ihres Mandats ist", teilte die Notenbank mit. Im OMT-Beschluss ("Outright Monetary Transactions") ist vorgesehen, dass die EZB Staatsanleihen ausgewählter Mitgliedsstaaten in theoretisch unbegrenzter Höhe ankaufen kann. Voraussetzung ist, dass das betroffene Land das beantragt und sich zu Einsparungen und Strukturreformen verpflichtet. Bisher ist es noch nie zu Anleihekäufen nach diesem Beschluss gekommen. 

Vorläufiges Aus für OMT-Programm

Nach Einschätzung von DIW-Chef Marcel Fratzscher muss die EZB muss nun ein entscheidendes Instrument im Kampf gegen die Eurokrise zumindest vorerst zurückhalten. "Das Urteil bedeutet ein vorläufiges Aus für das OMT-Programm", sagte Fratzscher am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. "Ich denke nicht, dass die EZB aus politischen Gründen ein Programm umsetzen kann, wenn zugleich ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof offen ist."

Die Entscheidung schüre Sorgen über die Handlungsfähigkeit der EZB. Denn grundsätzlich träfen die Einwände der Richter auf fast alle Maßnahmen der Notenbank zu. "Dies ist besorgniserregend, denn Finanzmärkte halten sich selten an die Zeitpläne von Gerichten", sagte Fratzscher, der vor seinem Wechsel zum Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) selbst bei der EZB gearbeitet hat. Nun müsse der Europäische Gerichtshof schnell eine Entscheidung treffen, damit die Unsicherheit reduziert werde und die EZB ihre volle Handlungsfähigkeit wiedererlange.

Die Vorschläge der deutschen Verfassungsrichter, wie das OMT-Programm etwa durch Begrenzungen verfassungskonform gemacht werden könnte, bezeichnete Fratzscher als kontraproduktiv, weil es so am Finanzmarkt angreifbar werde. Allerdings stünden der EZB weitere Instrumente zur Verfügung, um im Notfall einzugreifen. So könnten die Eurohüter ein Staatsanleihen-Programm nach dem Vorbild der Notenbanken in den USA und Großbritannien auflegen, in dem breit gestreut die Anleihen aller Mitgliedsstaaten gekauft werden. "Das wäre aber ein ganz anderes Programm und könnte nicht gezielt für einzelne Länder eingesetzt werden." EZB-Chef Mario Draghi hatte mit dem OMT-Beschluss im September 2012 die Schuldenkrise deutlich entschärft. (APA, 7.2.2014)