Moskau/Kiew - Russland verschärft die Tonlage im Ukraine-Konflikt. Ein ranghoher Berater von Präsident Wladimir Putin forderte die Führung in Kiew am Donnerstag auf, den Protest der Opposition niederzuschlagen. In einer Situation, wo sich die Behörden mit einem Putschversuch konfrontiert sähen, bleibe ihnen keine andere Wahl, sagte Putins Ukraine-Beauftragter Sergej Glasjew der Zeitung "Kommersant-Ukraine".

Den USA warf Glasjew vor, ukrainische Oppositionelle zu bewaffnen. Gegenwärtig erfüllten die ukrainischen Behörden ihre Pflichten zum Schutz des Staates nicht, sagte Glasjew. Stattdessen verhandelten sie mit "Putschisten, als wenn sie gesetzestreue Bürger wären". Dem Westen warf Glasjew vor, den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch und die reichen Oligarchen des Landes zu erpressen, indem er eine Beschlagnahme ihrer Besitztümer im Ausland androhe sowie den Entzug von Einreisevisa.

Die US-Regierung beschuldigte Glasjew, sie lasse der ukrainischen Opposition jede Woche 20 Millionen Dollar zukommen, und zwar für Waffen und andere Hilfen. Es gebe Informationen, dass auf dem Gelände der US-Botschaft Kämpfer ausgebildet und bewaffnet würden, sagte er. Die US-Botschaft lehnte eine Stellungnahme dazu ab.

Abkommen verletzt

Auf die Frage, ob Russland "aktiv eingreifen" könnte, falls sich die Krise verschärfe, verwies Glasjew auf eine Vereinbarung aus dem Jahr 1994, in der Russland und die USA gemeinsam die Verantwortung für die Sicherheit und die Souveränität der Ukraine übernommen hätten, nachdem diese die sowjetischen Atomwaffen abgebaut habe. Beide hätten sich damit verpflichtet, in Krisenfällen wie jetzt gemeinsam einzugreifen. Die USA hätten dieses Abkommen mit einseitigen Aktionen verletzt. Wie Russland konkret darauf reagieren könnte, ließ Glasjew offen.

Zugleich brachte er das Modell einer Föderation ins Gespräch, deren Regionen weitgehende Autonomie haben könnten, einschließlich eigener Budgets und eigener Außenpolitik. Als Beispiel für eine künftige politische Struktur der Ukraine nannte Glasjew Grönland, das zu Dänemark gehöre, aber eine weitgehende Autonomie habe und nicht in der Europäischen Union sei. So könnten auch der westliche und der östliche Teil der Ukraine unterschiedliche Beziehungen zur EU und zu Russland haben.

Das EU-Parlament forderte am Donnerstag Sanktionen gegen Angehörige der ukrainischen Führung. Die EU und die Mitgliedsländer sollten Restriktionen wie Einreiseverbote und das Einfrieren von Bankkonten vorbereiten, hieß es in einer Entschließung. Die Sanktionen sollten für diejenigen gelten, die für die Gewalt gegen Demonstranten in Kiew verantwortlich seien. Dazu zählen die EU-Abgeordneten neben Regierungsangehörigen und Parlamentariern auch ukrainische Oligarchen.

Die EU-Kommission äußerte sich indes erneut zurückhaltend, was mögliche Sanktionen angeht. "Wenn sich die Situation verschlimmert, müssen wir uns verschiedene Maßnahmen anschauen, aber derzeit liegt der Fokus auf diplomatischen Bemühungen", sagte die Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton, die in den vergangenen Tagen in Kiew mit Vertretern von Regierung und Opposition beraten hatte. EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle reist in der kommenden Woche erneut zu Krisengesprächen nach Kiew.

Prominente Kulturschaffende und Bürgerrechtler, darunter der deutsche Liedermacher Wolf Biermann sowie Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek und die Schauspielerin Erika Pluhar aus Österreich, haben Oppositionsführer Vitali Klitschko und den Regierungskritikern in einem persönlichen Brief Mut zugesprochen. "Wir hoffen mit Zorn und Bangen, dass die Hoffnung auf einen unblutigen Sieg Ihnen und Ihren Freunden in Kiew nicht verloren geht", hieß es in dem am Donnerstag veröffentlichten Brief. (APA, 6.2.2014)