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Die Verletzungsgefahr der Athleten ist bei jeder Sportveranstaltung gegeben.

Foto: APA/Michael Probst

So passiert bei einer Turnveranstaltung eines Vereins 2013 in Wien: Zahlreiche Mädchen bringen ihre turnerischen Leistungen zur Schau, die Jury beurteilt streng, das Publikum zeigt sich begeistert. Dann plötzlich: Ein Mädchen präsentiert auf der Bodenmatte einen Handstützüberschlag rückwärts, Flickflack genannt, stürzt, liegt schreiend auf der Matte. Im Stadion herrscht helle Aufregung, die Eltern des Kindes sind nicht anwesend, Wettkampfarzt ist keiner vor Ort.

Die Rettungskette nimmt einen fragwürdigen Verlauf - Anruf bei 144, Anwesende versuchen das Mädchen zu beruhigen, das sich vor Schmerzen windet. Unter den Zuschauern ist zufällig ein Sportmediziner. Viel kann er nicht tun, im Notfallkoffer befinden sich weder Analgetika noch irgendeine Möglichkeit, die zwar geschlossene, aber dislozierte Fraktur des Armes mittels Schiene zu stabilisieren. Der Rettungswagen kommt, Notarzt ist keiner dabei. Der Sportmediziner gibt Anweisungen, die Sanitäter führen diese aus und bringen das Mädchen ins Krankenhaus.

Glücklicher Zufall

"Es gibt meines Wissens kein Gesetz, das Veranstalter von Sportwettkämpfen verpflichtet, für die Anwesenheit eines Sportarztes zu sorgen", sagt Peter Schober, Leiter der Abteilung für Sport- und Leistungsmedizin und Leiter der Intensivstation an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie in Graz. Das Thema ist in jedem Fall heikel, ist doch das Schicksal eines verletzten Sportlers, wie auch im erwähnten Fall, vom glücklichen Zufall abhängig.

Dass Ärzte bei Sportveranstaltungen nicht selbstverständlich vor Ort sind, hat jedoch nicht nur mit der Bereitschaft der Veranstalter zu tun. "In Österreich ist man es gewohnt, dass ärztliche Tätigkeit kostenlos ist, sprich von den Krankenkassen bezahlt wird", sagt Schober, der auch Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (ÖGSMP) ist. Bei einer Sportveranstaltung übernimmt die Kasse jedoch – und das versteht sich, so Schober, von selbst – keinerlei Kosten, handelt es sich hierbei doch um keine kurative Leistung. Weder Bund noch Länder stellen hier Budgetmittel zur Verfügung, die den Veranstalter dabei unterstützen, die ärztliche Versorgung der Athleten zu garantieren.

Keine Verpflichtung

Schober sieht die ärztliche Wettkampfbetreuung allerdings nur als Teil der Problematik der gesamten Organisation. Er vermisst in Österreich einheitliche, standardisierte und auch verpflichtende Wettkampftauglichkeits-Untersuchungen für Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene, die das Risiko für die Ausübung einer Sportart erfassen. Nicht zu Unrecht, ist doch gerade der plötzliche Herztod scheinbar gesunder Sportler häufig in einer nicht erkannten angeborenen Herz-Kreislauf-Erkrankung begründet.

Er selbst hat gemeinsam mit dem Department für Kinderkardiologie fünf Jahre lang Jugendliche statistisch erfasst, die aufgrund einer kurz andauernden Bewusstlosigkeit (Synkope) auf einer Intensivstation behandelt wurden. Acht Jugendliche wurden aufgenommen, drei davon sind gestorben, bei den anderen fünf wurde unter anderem die Diagnose angeborenes Long-QT-Syndrom, arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie und Kardiomyopathie gestellt – Erkrankungen, die insbesondere bei sportlicher Betätigung zum plötzlichen Herztod führen können.

Sechs der betroffenen Jugendlichen waren Mitglieder eines Sportclubs. "Bei keinem der Jugendlichen wurde im Vorfeld im Rahmen einer Untersuchung ein EKG gemacht", sagt Schober. Auch hier scheitert es an den finanziellen Mitteln. Während in Österreich nämlich die Kosten für eine jährliche Gesundenuntersuchung für Erwachsene von den Krankenkassen übernommen werden, müssen bei Kindern nach wie vor die Eltern in die Tasche greifen.

Pflichtprogramm in Italien

Schober kämpft seit Jahren darum, dass sich das ändert. Er verweist auf Italien, wo Sportler bereits seit den 80er-Jahren eine sportärztliche Visite absolvieren müssen, wenn diese eine Sportart wettkampfmäßig betreiben. Die im Zusammenhang mit sportlichen Aktivitäten auftretenden Todesfälle sind dort seitdem auf ein Niveau gesunken, das niedriger ist als das der übrigen Bevölkerung.

"Am meisten betroffen vom plötzlichen Herztod ist die Altersgruppe zwischen 13 und 26 Jahren", sagt Schober und will die Verantwortung nicht länger auf die Eltern abgeschoben wissen, die derzeit aus Angst die Kosten für eine Sporttauglichkeitsuntersuchung tragen. Eine gesetzliche Übernahme der international abgestimmten Empfehlung der ÖGSMP für Sport- und Wettkampftauglichkeits-Untersuchungen wäre wünschenswert. (Regina Walter, derStandard.at, 7.2.2014)