Thomas Frank als Diener Jean, der sich die verliebte Herrin (Tabea Bettin) zur emotionalen Untertanin macht.

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Graz - Jean, der gebildete Diener, hat völlig recht, wenn er Julie, die Tochter des Grafen, zu Beginn der Mittsommernacht vor dem Feuer warnt. Vor jenem nämlich, mit dem die Tochter seines Herrn nicht spielen soll. Nur kommt die Warnung längst zu spät. Sie wird nicht mehr gehört - zu laut ist das Knistern und Krachen der Äste im emotionalen Waldbrand, der die beiden langsam umzingelt.

Sie geben es sich heiß-kalt. Auf der Probebühne des Grazer Schauspielhauses wird der durchscheinende Küchenboden, auf dem sie stehen, von unten mit kaltem, weißen Licht beleuchtet. Das hat etwas von einer Fläche aus Kunsteis, auf dem Julie (Tabea Bettin) in nur einer Nacht ihre Existenz davonrutschen wird.

Alexandra Liedtke - zuletzt mit ihrer Clavigo-Inszenierung auf der Probebühne in Graz - hat August Strindbergs Fräulein Julie verknappt und sprachlich diesseitig zusammengefasst.

Schon bei Strindberg durchläuft man die Stufen einer Liebe, die mit fast sadistischer Neckerei der Grafentochter beginnt, später bei ihr Symptome einer Geistesstörung zeigt und bei Jean von anfänglicher Unterwürfigkeit zu herrischer Kälte mutiert, atemlos schnell. Dazwischen streut Liedtke kurz einen dichten Schauer aus Rosenblüten auf die weiße Fläche. Ein Aufbäumen der Gefühle, das dann schwer am Boden der Realität liegen bleibt und von Jeans Verlobter, der Köchin Kristin (Pia Luise Händler), angewidert weggekehrt wird (Bühne: Raimund Orfeo Voigt).

Strindbergs angerissenen Disput über Geschlechtergleichstellung, Klassenkampf und die Hassliebe fasst Liedtke mit drei überzeugenden Schauspielern zu einem einzigen Guerillakrieg zusammen. Händler hat als Köchin nur quantitativ eine Nebenrolle, ist stets präsent, selbst wenn sie am Bühnenrand einnickt.

Die Gefallene ist nicht nur aus Standesgründen Julie. Sie fleht den einstigen Diener, der sich jetzt wie ein Herr aufführt, an, sie wie ein Mensch zu behandeln, bevor sie ihrem Leben ein Ende setzt. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 6.2.2014)