Danilo Maldonado (Mi.), Graffitikünstler aus Havanna, auf einer PK mit kubanischen Studenten am Miami Dade College.

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Die Baseballkappe - ein blaues, ein weißes Karo, ein roter Schirm - lässt an die Flagge von Texas denken. Solche Caps tragen Texaner, wenn sie ihren patriotischen Stolz zur Schau stellen. Es sind aber auch Danilo Maldonados Nationalfarben: die Farben Kubas. Der hochaufgeschossene Graffitikünstler hat sich die Kappe aufgesetzt, wie sich andere vielleicht einen Orden ans Revers heften. Aus wichtigem Anlass, um vor der Presse eine Premiere zu feiern.

Es ist natürlich nicht das erste Mal, dass Kubaner am Miami Dade College studieren. Hunderttausende sind hier, in der größten US-Universität, schon in den Hörsälen gesessen. Aber das waren die Kinder und Enkel der Geflüchteten, jene Cuban Americans, von denen mittlerweile 1,2 Millionen im Süden Floridas leben. Die 17-köpfige Gruppe um Maldonado wird nach sechs Monaten zurückkehren auf die Insel. So lautet die Abmachung; und das ist das Neue.

PR-Agentur in Havanna

Zwei sind Rapper, deren Verse den schwierigen Alltag beschreiben. Zwei Juristinnen dürfen in keiner Kanzlei arbeiten: Sie machen kein Hehl aus ihren kritischen Ansichten. Und Maldonado sprüht spöttische Graffiti auf Häuserwände. Sein Künstlername: El Sexto, der Sechste. "Satire", erklärt der 30-Jährige. Man habe doch sicher schon gehört von den fünf kubanischen Geheimdienstlern, die nach Miami geschickt wurden und aufflogen, worauf man sie in Kuba zu Nationalhelden machte. "Doch der wahre Held ist der Sechste: das Volk."

Sarkasmus brachte El Sexto schon mehrfach ins Gefängnis, aber mittlerweile darf er so gut wie jeder Kubaner, der sich einen Pass leisten kann, ins Ausland reisen. Und zurückkommen. "Keine Frage: Ich kehre zurück, auch wenn sie Probleme machen. Auch wenn ich in einem Boot übers Meer fahren muss." In Havanna will er eine PR-Agentur gründen. In Miami lernt er, was er dafür braucht.

"Hoffentlich folgt Flut der Veränderung"

Bis März sollen die 17 Englisch lernen, dann folgen Kurse in Betriebswirtschaft, Marketing und IT. Die USA haben Studentenvisa ausgestellt; Unigebühren, Flugtickets, Kost und Logis werden von der Foundation for Human Rights in Cuba bezahlt, einer Bürgerrechtsinitiative, die gut drei Millionen Dollar von der US-Regierung für solche Programme erhielt. "Wir setzen auf kleine Risse im Damm", sagt Kommunikationschef José Luis Martinez. "Hoffentlich folgt eines Tages eine Flut der Veränderung."

Moderate Sätze, gemessen am Ton, wie er noch meist angeschlagen wird an der Calle Ocho, der achten Straße in Miami, die als Synonym für Little Havana gilt.

Es ist auch nicht mehr so selbstverständlich wie früher, dass republikanische Hardliner mit kubanischen Wurzeln die politische Szenerie Süd-Floridas prägen. 2012 schaffte erstmals ein Demokrat, Joe Garcia, den Sprung in den Kongress. Als Barack Obama dem kubanischen Präsidenten Raúl Castro am Rande der Trauerfeier für Nelson Mandela die Hand reichte, nahm ihn Garcia in Schutz: "Hört doch auf! Manchmal ist ein Handshake eben nur ein Handshake."

Hardliner gegen Reformer

Für den konservativen Abgeordneten Mario Diaz-Balart sind schon halboffizielle Kontakte mit Havanna Verrat. Für Brückenbauer wie Garcia sind es hingegen Punkte, an denen man ansetzen kann. Juan Blanco Gil wiederum, kubanischer Ex-Diplomat und heute Dozent am Miami Dade College, spricht von "Experimenten, um Spielräume auszuloten".

Jenes mit den 17 Studenten ist sicher sein interessantestes. Blanco war Berater im KP-Zentralkomitee Kubas und versuchte 1991, einen Thinktank zu gründen ("Mein schöner Reformertraum war bald zerplatzt"). 1997 verließ er die Insel. Die Frage, ob er nun Hoffnung schöpfe, beantwortet der 66-Jährige salomonisch: "Der kubanische Frühling? Wissen Sie, ich bin alt geworden beim Warten darauf. Aber ich weiß, eines Tages wird er kommen." (Frank Herrmann aus Miami, DER STANDARD, 5.2.2014)