Die Sprachwandlerin – Luise F. Pusch. Zurufe und Einwürfe von Freundinnen und Weggefährtinnen.
Wallstein 2014,
Euro 10,20

Foto: Wallstein Verlag

Sprechen und denken seien eins, hat Karl Kraus einmal gesagt. Auf diesen "Gewährsmann", so erzählt die Leiterin des Frauenbüros Mainz Eva Weickart in der jüngst erschienenen Femmage zum 70. Geburtstag (14. Jänner) von Luise F. Pusch, beziehe sie sich gerne, wenn auch Männer im Raum seien. Denn die, das zeigt sich deutlich in den 27 Beiträgen in "Die Sprachwandlerin – Luise F. Pusch", tun sich zwar leicht mit der theoretischen Erkenntnis, dass Sprache die Welt nicht nur abbildet, sondern auch immer wieder neu konstituiert und affirmiert; Die folgerichtigen Schlüsse aber, die die 1944 in Gütersloh geborene Sprachwissenschafterin Pusch daraus seit den 1970er-Jahren zieht, stoßen gerade bei Männern nach wie vor auf Unverständnis.

Zeit, dass sich etwas ändert

In Arbeiten wie "Das Deutsche als Männersprache. Diagnose und Therapievorschläge" (1984) zeigte sie die deutsche Sprache (und nicht nur diese) als eine, die Frauen hochgradig diskriminiert und unsichtbar macht. Das generische Maskulinum, dessen BenutzerInnen immer wieder großzügig darauf hinweisen, Frauen dürften sich gerne "mitgemeint" fühlen, nahm sie sich ebenso vor wie so absurde und faktisch schlicht falsche Formulierungen wie "Die Menstruation ist bei jedem ein bisschen anders" (so gefunden im Jahr 1982 in der Zeitschrift "Courage"). Das Fazit ihrer Aufsätze, Glossen und Vorträge: Es ist Zeit, dass diese Sprache, die sich ohnehin stetig verändert, nun ganz bewusst einen Wandel vollzieht. In einer Zeit, in der Frauen am gesellschaftlichen Leben im gleichen Maße teilhaben können und sollen wie Männer, in denen sie (zumindest auf dem Papier) gleichberechtigt sind, ist eine Sprache, die nur eine Hälfte der Menschheit repräsentiert, schlicht antiquiert.

Existenzielle Kämpfe

Zum 70. Geburtstag würdigen die Sprachforscherin nun zahlreiche Frauen, etwa die "Big Wigs", eine Gruppe von Universitätsprofessorinnen aus Neuengland, Senta Trömel-Plötz, mit der zusammen Pusch die feministische Linguistik in Deutschland begründete, oder die Filmemacherin Helke Sander. Bisweilen lesen sich die ganzen Dankes- und Liebesbekundungen wie aus einem privaten Gästebuch oder Poesiealbum, vieles ist redundant, manches auch etwas sperrig formuliert.

Dennoch ist das Buch nicht nur für AnhängerInnen von Pusch absolut lesenswert. Einige Texte geben Einblick in die aktuelle Forschung, beschäftigen sich mit frauensensiblem Umgang in der Psychotherapie oder damit, wie Sprachstruktur das Gehirn programmiert. Aber gerade die sehr persönlichen Beiträge zeigen, zumal den Nachgeborenen, was für ein weiter Weg, was für ein großer Kampf es gewesen ist von der sprachlichen Totalignoranz der 1970er-Jahre bis zum Jahr 2013, in dem eine große deutsche Universität das generische Femininum in ihrer Grundordnung einführt. Sogar die sonst immer auf Krawall gebürstete deutsche Bild-Zeitung würdigte das mit der erstaunlich nüchternen Zeile: "Dem Vorschlag, nur noch das generische Femininum zu benutzen, wurde zugestimmt". Ein Erfolg für Luise Pusch, wie Sprachwissenschafter Anatol Stefanowitsch feststellt, der nur wenigen Persönlichkeiten der sprachwissenschaftlichen Forschung beschieden sei: "mit einem ihrer zentralen Anliegen (und mit dem dazugehörigen Fachbegriff) in das viel geliebte und viel gehasste Flaggschiff des Axel-Springer-Verlags vorzudringen."

Politikerin Jutta Schwerin erinnert sich in "Luise und ich" an die Studentenbewegung im Westdeutschland der 1960er-Jahre – und stellt angesichts der Sprachrevolution Luise Puschs fest, dass die größten Umbrüche womöglich gar nicht auf der Straße, sondern in der Welt der Sprache stattfand: "Vielleicht dass wir '68' ein bisschen überhöhen und dass wir uns nicht allzu viel darauf einbilden sollten, 'dabei' gewesen zu sein – die existenziellen Kämpfe fanden woanders statt."

Spieleabende und "Schlemmermahlzeiten"

So groß der Erfolg, so groß war auch der Preis, den Pusch bezahlen musste: die Männer und ihre "Angst (...) vor sprachlichem Bedeutungsverlust", wie es einmal heißt, verhinderten den beruflichen Aufstieg Puschs – immerhin mit dem erfreulichen Beigeschmack, dass sie sich umso mehr ihren Glossen, Vorträgen oder dem höchst erfolgreichen Online-Projekt "Fembio" widmen konnte.

Sich bequem oder gar feige in die Verhältnisse zu fügen, das wäre für sie auch keine Alternative gewesen. Ihre Freundin und Kollegin Senta Trömel-Plötz erinnert in ihrem Text "Was berührt mich an Luise?" an deren Mut und integre Haltung, aus der heraus sie sich geoutet habe. Pusch sei der Überzeugung gewesen, dass "Frauen mit Namen und Status" sich öffentlich outen müssten, "damit sich Vorurteile und Wahrnehmungen ändern". Pusch habe es dann auch getan - "trotz großer Angst", wie Tremel-Plötz schreibt. Beeindruckt habe sie an Pusch, dass sie sich "von männlicher Bewertung befreit" – und diese "Freiheit von männlicher Beurteilung wohl genutzt" habe.

In den  Anekdoten und Erinnerungen geben ihre WeggefährtInnen und FreundInnen so nicht nur einen sehr umfassenden Einblick in das Denken und die Visionen der Wissenschafterin Luise Pusch – sie bringen den LeserInnen auch die Privatperson Luise mit ihrer Leidenschaft für klassische Musik, Spieleabende, Bewegung im Stadtwald oder "Schlemmermahlzeiten" näher. Sie zeigen nicht nur die Frau, die die deutsche Sprachwissenschaft nachhaltig verändert hat. Sondern auch einen humorvollen, lebenslustigen, mutigen und durch und durch liebenswürdigen Menschen. (Andrea Heinz, dieStandard.at, 5.2.2014)