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Alice Schwarzer: Ein Leben lang ist sie nicht nur aufrecht, sondern triumphierend im Kreuzfeuer gestanden.

Foto: ap/Daniel Kopatsch

Die Kritik, die Alice Schwarzer nach ihrer Steuerbeichte nun einstecken muss, ist nicht verwunderlich. Seit Jahrzehnten gilt: Wenn die deutsche Frauenrechtlerin auftritt und sich äußert, dann gibt es nur Schwarz oder Weiß. In vielen Fragen lässt Schwarzer nur eine, also ihre eigene, Meinung zu. Die Unwissenden, die Nichtverstehenden, das sind immer die anderen.

Mit besonderer Vehemenz hat die 71-Jährige immer Teile des deutschen Steuerrechts verdammt. Es ging dabei weniger um das nicht zustande gekommene Abgeltungsabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz, sondern um das sogenannte Steuersplitting, bei dem das Einkommen eines Ehepaares zuerst zusammengezählt und dann besteuert wird. Ein gut verdienender Mann, dessen Frau zu Hause die Kinder betreut, kann dabei viel Steuern sparen - Geld, das der Allgemeinheit also fehle, so Schwarzer.

Jetzt fühlt sich die Speerspitze der Frauenbewegung selbst verfolgt. Es gebe "Steuerfehler", die man wieder gutmachen könne, schreibt sie in der Onlineausgabe ihrer Emma. Der "Rufmord" aber, den sie nun erlebe, sei nicht wieder gutzumachen.

Schwarzer sieht ihn als die Quittung für ihre Kritik am Steuersystem und ihre Kampagne gegen Pornografie.

Ein Leben lang ist sie nicht nur aufrecht, sondern triumphierend im Kreuzfeuer gestanden. Sie hat in den 1970er-Jahren maßgeblich für das Recht auf Abtreibung gekämpft, sie setzte sich für jene Reform des Ehe- und Familienrechts ein, die es Frauen ermöglichte, einen Job anzunehmen, ohne vorher den Ehemann fragen zu müssen.

Kein Zweifel, Schwar-zers Verdienste sind groß. Doch in den vergangenen Jahren löste sie zunehmend auch bei Frauen Kopfschütteln aus. "Verbohrt" ist jenes Wort, das häufig gebraucht wird, wenn von ihr die Rede ist. So kommentierte die linksalternative tageszeitung (taz) die "misstönende Schallplatte, die Schwarzer seit mehr als 30 Jahren abspielt".

Ob beim Vergewaltigungsprozess gegen den Wettermoderator Jörg Kachelmann, ihrem Feldzug gegen Pornografie oder ihrem Kampf gegen das Kopftuch der Musliminnen - immer öfter musste Schwarzer feststellen, dass junge Frauen sich oder ihre Geschlechtsgenossinnen nicht vornehmlich als Opfer männlicher Überlegenheit sehen wollen und das äußern, was auch die deutschen Medien nun in der Steueraffäre empfinden: Unverständnis. (Birgit Baumann, DER STANDARD, 4.2.2014)