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Ein vegetarischer Burger mit Riesenchampignons. Auch für fleischlose Gerichte müssten Tiere sterben, so Olschewski.

Foto: ap/crowe

Begonnen hat es mit einer provokanten Überschrift.  "Verursachen Vegetarier mehr Blutvergießen als Fleischesser?" betitelte der deutsche Blogger Felix Olschewski einen seiner Einträge und stellte ein eher linkisch gephotoshoptes Bild einer erstochenen, blutenden Banane daneben. Für vegetarische Kost sterben mitunter 25-mal mehr Tiere als für Fleisch, heißt es dann später im Text.

Auch das Fragezeichen am Ende des Titels rettete Olschewski jedoch nicht vor mehr als 130 Postings zumeist äußerst erboster Vegetarier und Veganer. Erst als er die Kommentarfunktion abschaltete, endete der Shitstorm. Als die Süddeutsche Zeitung die Geschichte vergangene Woche auf ihrer Blogseite aufgriff, ging die Diskussion in deutlich größerem Rahmen auf Facebook und Twitter weiter.

Paleo-Diät

Olschewski ist Anhänger der Paleo-Diät, also einer Ernährungsweise, die versucht, sich am Essverhalten einer Jäger- und Sammlergesellschaft zu orientieren: kein Getreide, viele verschiedene Pflanzen, und sehr wohl auch Fleisch. Vegetarier und Veganer irren, wenn sie meinen, für ihr Essen müssten keine Tiere sterben, schreibt er in seinem wohl meistgelesenen Blogeintrag. Bei der Ernährung habe "immer einer das Nachsehen".

Für den Anbau von Pflanzen werden ganze Ökosysteme zerstört, wenn Gemüse in Monokulturen angebaut wird. Die Erntemaschinen töten Feldtiere, die Spritzmittel vernichten ganze Nahrungsketten, und der Transport der (Bio-)Ernte, mitunter um die halbe Welt, fordert ebenfalls Opfer. Demgegenüber sei Fleisch aus reiner Weidehaltung (nicht aus Massentierhaltung!) deutlich umwelt- und tierfreundlicher: Die Rinder machen aus für Menschen ungenießbarem Gras eine nutzbare Ressource, und statt ein Ökosystem zu zerstören, erhalten sie es sogar - wenn Wiesen nicht beweidet werden, geraten sie aus dem Gleichgewicht.

Fleisch essen, Tiere lieben

Für die überraschende Textpassage über 25-mal mehr getötete "fühlende Wesen" durch Pflanzenanbau  stützt sich Olschewski auf Zahlen aus Australien: Sie stammen aus einem Artikel des Paläontologen Michael Archer. Dieser schrieb 2011 über die Getreideproduktion auf dem notorisch trockenen Kontinent - und verglich sie wiederum mit der Rinderhaltung in Australien. In dem riesigen, extrem dünn besiedelten Land verbringen die allermeisten Tiere ihr Leben auf der Weide.

Neu ist diese Erkenntnis nicht: In jüngerer Zeit formulierte ähnliches etwa Michael Pollan, der wohl einflussreichste Food-Journalist der USA, in seinem Buch The Omnivore's Dilemma, das 2006 erschien. Die US-amerikanische Feministin und Ex-Veganerin Lierre Keith sorgte 2009 mit ihrem Buch The Vegetarian Myth für Diskussionen. Die deutsche Journalistin Theresa Bäuerlein griff viele von Keiths Ideen ihrerseits 2011 in ihrem Buch Fleisch essen, Tiere lieben auf. Aufgeregt hat das damals vergleichsweise wenige. Die Überschriften waren weniger knackig. (Tobias Müller, derStandard.at, 3.2.2014)