Wer ist für die neuerliche Währungskrise in wichtigen Schwellenländern verantwortlich? Sind es die westlichen Industriestaaten, wie etwa der angesehene Gouverneur der indischen Notenbank Raghuram Rajan oder Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman in seiner jüngsten New-York-Times-Kolumne behaupten?

Rajan sieht die Schuld bei der fehlenden internationalen Währungskoordination, Krugman bei der viel zu restriktiven Fiskalpolitik in den USA und Europa, die Investoren auf der Jagd nach höheren Renditen in die Schwellenländer treibt und sie dann wieder flüchten lässt.

Aber Rajans Behauptung setzt voraus, dass eine bessere Koordination die Folgen des Kurswechsels der US-Notenbank Federal Reserve abfedern könnte. Allerdings sagt er nicht, wie das geschehen sollte; und es gibt auch keine befriedigende  Antwort darauf. Telefongespräche und Treffen können hier nicht viel helfen.

Und dass die Fed ihr „Tapering“, also die Reduktion ihrer monatlichen Wertpapierkäufe, aus Rücksicht auf die Schwellenländer weiter hinauszögert, wäre falsch und unverantwortlich. Die Fed muss aus ihrer Niedrigzinspolitik allmählich aussteigen, und tut das ohnehin mit größtmöglicher Vorsicht.

Sparpolitik in den USA und Europa

Krugmans Kritik an einer überzogenen Sparpolitik in den USA und der Eurozone mag zwar berechtigt sein – oder auch nicht, je nachdem, wo man politisch steht; bloß hat das nichts mit den Turbulenzen in Argentinien, Türkei oder Südafrika zu tun. Deren Probleme sind eindeutig hausgemacht. Der Verfall der Währungen ist das Symptom, nicht die Ursache der Krisen.

Die Wirtschaftspolitik der argentinischen Präsidenten Cristina Fernández de Kirchner ist schon seit Jahren ein Skandal, der das Land in den Abgrund führt. Die Türkei leidet zur Zeit unter der politischen Instabilität, die durch das autoritäre Gehabe von Premierminister Erdogan ausgelöst wurde, aber schon viel länger unter einem massiven Leistungsbilanzdefizit,  einem der größten der Welt, das es höchst verwundbar gegenüber Kapitalströmen macht.

Und die Schwächen der südafrikanischen Wirtschaftspolitik mit ihren großen Haushalts- und Leistungsbilanzdefiziten und dem fehlenden Reformwillen von Präsident Jacob Zuma sind gut bekannt. Auch in Indien hat die regierende Kongresspartei in den vergangenen Jahren so viele Fehler gemacht, dass es kein Wunder ist, dass viele Investoren – und vor allem auch Inder selbst- das Weite suchen.

Mexiko geht es gut

Interessant sind die Beispiele für Staaten, die derzeit keine besonderen Probleme haben. Ich komme gerade aus einer kurzen Reise mit Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl nach Mexiko zurück. Von Finanzkrise ist dort keine Spur. Mexiko hat geringe Staatsschulden, wenig Inflation, ein starkes Exportwachstum und dadurch nur ein moderates Leistungsbilanzdefizit. Die Reformen von Präsident Enrique Peña Nieto tragen ebenfalls zum Optimismus und damit der Stabilität bei.

Kolumbien und Peru sind ebenfalls – und anders als Brasilien - kaum betroffen. Auch Thailand trotz der chaotischen politischen Zustände gut.

Wohl besteht die Gefahr, dass sich die Flucht aus Schwellenländer-Währungen weiter ausdehnt. Aber Länder mit einer soliden Finanzpolitik haben auch dann wenig zu befürchten. Und der Verfall der Währungen hat für viele dieser Staaten auch positive Seiten: Ja, Importe werden teurer und dadurch steigt die Inflation. Aber Exporter werden wettbewerbsfähiger, und das reduziert die Abhängigkeit von internationalen Kapitalströmen.

Einst klagte Brasilien über "Währungskrieg"

Der jüngste Kapitalausfluss ist ja nur die Gegenbewegung zum Boom der Schwellenländer der vergangenen Jahre. Und es ist noch nicht so lange her, dass Brasilien über seine überbewerte Währung geklagt und die Niedrigzinspolitik der Fed als Teil eines "Währungskriegs" bezeichnet hat.

Freie Kapitalflüsse schaffen zahlreiche Probleme, und Länder tun gut daran, den Zustrom von kurzfristigen Geldern zu unterbinden. Aber das geht nur, wenn genügend Direktinvestitionen in ein Land fließen, und dafür müssen die Rahmenbedingungen stimmen.

Die flexiblen Wechselkurse, die derzeit so stark in Bewegung sind, bringen massive Vorteile gegenüber den starren Wechselkursen der neunziger Jahre. Damals brachen Währungen tatsächlich zusammen, heute schwanken sie bloß – und passen sich den neuen Gegebenheiten rasch an. Das schafft Unsicherheit, aber verhindert echte Finanzkrisen.

Die Folgen einer völlig verfehlten Wirtschaftspolitik a la Argentinien oder eines jahrelangen Wirtschaftswachstums auf Pump wie in der Türkei treten allerdings dann auch deutlich zu Tage. (Eric Frey, derStandard.at, 2.2.2014)