Im Weinviertel baut man einfach – zumal wenn die Bauherren puristische Winzer sind. Doch dank Sputnic Architekten fanden auch frontale Kunst und versteckte Schönheit ihren Platz am Bau
Es passiert wohl nicht so oft, dass sich Bauherr und Architekt rund 6000 Kilometer vom zukünftigen Bauplatz entfernt kennenlernen. Manchmal aber doch, und so kann es sein, dass eine Reise mit gemeinsamen Bekannten in Kenia in den Umbau eines Siebzigerjahre-Wohnhauses im niederösterreichischen Ort Schrattenthal mündet. Norbert Steiner vom Wiener Büro Sputnic Architekten schnitt 2007 den Bau in der Mitte wie mit dem Skalpell entzwei, ließ aus dieser Zäsur eine Glasvitrine auf die Straße ragen und schuf auf diese Weise einen attraktiven Zugang zum Weingut der Bauherren, der Familie Zull.
Wenige Jahre später der nächste Streich im selben Ort: Diesmal galt es, das Elternhaus des Bauherren zu sanieren und mit einem Wohnhaus samt Einliegerwohnung für den Sohn zu einem Drei-Generationen-Ensemble zu ergänzen. Die Idee dazu entwickelten Bauherr und Architekt – wo sonst? – bei einem gemeinsamen "Spaziergang", wie Norbert Steiner es nennt, auf den Kilimandscharo.
Weinflaschen-Grün
Wie schon beim Weingut ist der Eingangsbereich das Auffälligste an der Straßenfassade: Das leuchtend grüne Glasportal stammt vom Künstler Heimo Zobernig, der bereits bei mehreren Projekten mit Sputnic Architekten zusammengearbeitet hat. "Zobernig hat sich dabei von der Farbe der Weinflaschen inspirieren lassen", meint Steiner. "Mich erinnert es aber genauso an die typischen Haustore im Weinviertel, die früher alle grün waren."
Überhaupt ist der Neubau trotz Flachdach ganz traditionell weinviertlerisch: Ein typisches L-förmiges Hofhaus, zur Straße hin geschlossen, Wirtschaftsraum und Küche nach vorne, die Wohnräume nebeneinander aufgefädelt im Hof, das alles zusammengefasst mit durchgehender Glasfront und breiter Terrasse. "Es passt sehr gut in die Häuserzeile, ein typisches Hofhaus halt", sagt Bauherr Werner Zull. "Wenn es kein Flachdach hätte, würde es kaum auffallen." Weitere diskrete Beleuchtung bekommt das vier Meter hohe Wohnzimmer durch Fensterschlitze in der Decke.
Intimer Hof
Vom Hof aus unsichtbar, versteckt sich noch ein zweiter kleiner Freiraum, der nur durch die beiden Badezimmer erreichbar ist und vom Architekten augenzwinkernd "Beautyhof" getauft wurde. "Ein bissl provokant, aber es klingt besser als Lichthof", lacht Steiner. "Es ist ein intimer Hof, in den morgens das Sonnenlicht fällt. Es gibt eine Dusche und Platz für zwei Liegen." Zwar hat die wellnesslastige Bezeichnung keinen Einzug in den Sprachgebrauch der Bauherren gefunden, im ersten Jahr nach Fertigstellung bewährt sich das innenhofdurchstanzte Wohnhaus aber allemal: "Wir haben uns hier von Anfang an wohlgefühlt", meint Zull. Auch die anfängliche Flachdach-Skepsis der Nachbarn sei längst verflogen.
"Es ist ein Glück, dass die Bauherren puristische Winzer sind", sagt Architekt Steiner. "So kann eine gewisse Schärfe in der Architektur bestehen bleiben." Das passe auch zur Philosophie seines retrofuturistisch benannten Büros: Schließlich sei ja der Sputnik ein unkompliziertes Gerät, das ohne viel Aufhebens funktioniert habe. (Maik Novotny, DER STANDARD, 1.2.2014)
Zahlen & Fakten
- Ort: Schrattental, NÖ
- Projekt: Altbausanierung, thermische Sanierung und Errichtung einer Fotovoltaikanlage
- Architekt: Norbert Steiner, Sputnic ZT GmbH, Wien
- Bauzeit: August 2011 bis Jänner 2013
- Grundstücksgröße: 378 m²
- Nutzfläche: 181 m²
- Terrasse: 47 m²
Links