Petra Gregorits.

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Österreichweit ist jeder zehnte Migrant Unternehmer, in Wien jeder dritte. Die Frauenquote bei ethnischen Ökonomien entspricht mit einem Drittel dem Gesamtverhältnis. Ist es für eine gelungene Integrationsbewegung also wichtig, an den Gründergeist von Menschen mit Migrationshintergrund zu appellieren?

  • Im Bereich der Zuwanderung sind die USA führend. In Österreich ist in der öffentlichen Diskussion der Ruf nach dem Zuzug Hochqualifizierter besonders laut. Hätten die USA nur die "Einsteins" ins Land gelassen, wäre ein brodelndes Umfeld, das durch die ethnische Vielfalt tagtäglich in Wirtschaft und Gesellschaft aufeinanderprallt, nicht möglich. Eric T. Hansen, US-Satiriker, der sein halbes Leben in Deutschland verbrachte, kritisiert damit die "Homogenisierungstendenzen" in der Integrationspolitik. Wenn Kreativität an den Rändern eines etablierten Systems entsteht und Innovation umgesetzte Kreativität ist, liegt der Schlüssel in der Kultivierung der Vielfalt. Über die Gestaltung des Zusammenlebens hinaus sind darin die Wettbewerbsfähigkeit und das Innovationspotenzial von Volkswirtschaften begründet.
  • Pro Zuwanderung als Schlüssel der neuen Geopolitik. Zwei Drittel der deutschen Bevölkerung befürworten eine verstärkte Zuwanderung. Damit dreht sich der Wind entscheidend. Die öffentliche Diskussion in Bezug auf den Zusammenhang von demografischem Wandel, Fachkräftemangel und Pflegenotstand zeigt offenbar Wirkung. Die Akzeptanz einer notwendigen Inklusion auf dem Arbeitsmarkt und deren Bedeutung für die Wirtschaftsentwicklung und Sicherung der Standort- und damit Lebensqualität ist in der Gesellschaft angekommen.
  • Unabhängigkeit und sozialer Aufstieg durch Selbstständigkeit. Jeder zweite Unternehmer mit Migrationshintergrund in Österreich hat maturiert und ist damit gut ausgebildet. Hotspot der ethnischen Ökonomien ist Wien. Beinahe 60 Prozent aller Unternehmer mit Migrationshintergrund in Österreich haben ihren Standort in Wien. Jeder fünfte beschäftigt Mitarbeiter, im Durchschnitt sind es bis zu fünf. Und sie tun es überzeugt und entschlossen. Es aus eigener Kraft zu schaffen ist das Hauptmotiv. Unternehmertum ermöglicht Unabhängigkeit, sozialen Aufstieg und bietet bessere Einkommenschancen im Vergleich zu Arbeitnehmern, deren Nettogehalt, vor allem durch die geringere Erwerbsquote bedingt, nach wie vor etwa 15 Prozent unter dem österreichischen Durchschnittswert liegt.
  • Einseitige Branchenentwicklung, gleiche Herausforderung. In Summe entfallen drei Fünftel der ethnischen Ökonomien auf Gastronomie und Handel, eines auf den Baubereich, das weitere Fünftel teilen sich persönliche Dienstleister und hochqualifizierte Gründer in IT, Forschung und Consulting. Unternehmer mit Migrationshintergrund beschäftigen nur selten Mitarbeiter aus der eigenen Community und geben an, mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert zu sein wie die übrige Unternehmerschaft: mit dem überbordenden Verwaltungsaufwand und Personalfragen. (Petra Gregorits, DER STANDARD, 1./2. 2. 2014)