Gerhard Polt (hier mit Maximilian Brückner) gibt in "Und Äktschn!" den Hobbyfilmer Hans A. Pospiech, der "Hitler privat" näherkommen möchte: "Zum Genie fehlt mir das Geld!"

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STANDARD: Über Hitler fühlt man sich gut informiert. Außer "Kochen mit dem Führer" scheint das Thema hinreichend ausgeleuchtet. Warum haben Sie jetzt ausgerechnet einen Hitler-Film gemacht?

Gerhard Polt: Als junger Bursch lernte ich einen der ersten großen Hitler-Biografen kennen, Dr. Werner Maser. Da hat es mich damals gerissen, weil der gesagt hat, der Hitler war kein Monster und er war auch kein Kasperl, der war neben aller Mittelmäßigkeit auch ein charmant parlierender Mensch, der einen Schmäh und eine sympathische Art gehabt hat. Er bekam ja auch schnell Zugang in die höhere Gesellschaft. Als brüllendes Monster wäre das nie möglich gewesen. Die Sympathie öffnete ihm die Herzen. Er ging in den Menschen hinein wie ein Bazillus von einem Katarrh und sagte: "Di nimm i!" Und dann hatte der Mensch einen Schnupfen. Das hat mich beeindruckt.

STANDARD: Ist Mittelmaß eine Voraussetzung für politischen Erfolg?

Polt: Der sympathische Mensch kann viel gefährlicher als der unsympathische sein. Woher kommt Autorität? Muss man sich die erarbeiten, ist sie genetisch drin? In der Schule schreit der eine Lehrer "Seids still!" und schafft es nicht. Der andere geht in die Klasse, und alle sind stad. Was kann man gegen so jemanden wie Hitler machen? Man sagt immer Bildung. Da sage ich, ja, welche Bildung? Dem Hitler sind doch auch die Gebildeten nachgelaufen. Taugen als Gegengift vielleicht Ironie oder Skepsis? Das ist das Thema. Wie kann ein Mensch begreifen, dass etwas ein Blödsinn ist?

STANDARD: Im Bayerischen gibt es eine Grundrenitenz, die aber dank des Wirkens der Kirche gern mit Obrigkeitshörigkeit relativiert wird. Aufmucken ist okay, aber irgendwann muss auch wieder damit Schluss sein. Müsste man den "Gizzi" gegen die da oben mehr herausarbeiten?

Polt: Genau das wäre es! Eine amerikanische Untersuchung wollte einmal herausfinden, welche Begabungen im Menschen von vornherein da sind, haptische, mathematische, räumliche und so weiter. Da haben die dann festgestellt, dass die Ironiebegabung tatsächlich am geringsten ausgebildet ist. Die meisten Leute, die man fragt, ob sie Spaß verstehen, werden sagen: ja, freilich. Aber die meisten wissen auch, wo er aufhört.

STANDARD: Wäre eine ironische Erziehung der Kinder sinnvoll?

Polt: Ja, des war's. Aber ob man Ironie lernen kann, weiß ich dann leider auch nicht. Gute Noten in Latein schützen einen Menschen halt leider nicht davor, einem Rattenfänger nachzulaufen. Ich frage mich auch immer wieder: Was für eine Musik hat der Rattenfänger von Hameln eigentlich gespielt, dass ihm alle nach sind? Warum setzt einer einen Trend? Warum fühlt sich einer zum Führer berufen? Und wie muss jemand beschaffen sein, damit er solchen Typen nicht auf den Leim geht?

STANDARD: Überdeckt Charme, dass jemand ein Sauhund ist? Und verkauft er damit das Gift mit?

Polt: Der eine kann es, der andere nicht. Gisela Schneeberger, die die Eva Braun spielt, sagt im Film einmal: "Fad kann der Hitler nicht gewesen sein, er hat ja immerhin einen Weltkrieg hervorgebracht."

STANDARD: Als Demagoge offen zu gescheit sein ist vielleicht hinderlich.

Polt: Man muss für den Erfolg eine gewisse Mittelmäßigkeit an den Tag legen, sonst hat man keine Chance. In Bayern hatten wir den Franz Josef Strauß, das war ein gescheiter, gebildeter Mann. In seiner Außenwirkung aber hat er Bier gesoffen, Schweinshaxen gegessen. Der war volkstümlich, ein Bierzelt-Entertainer.

STANDARD: Auch in Wien ...

Polt: I woaß. Ich wohne ja auch in Italien. Immer, wenn ich die Italiener gefragt habe, was sie jetzt von diesem bayerischen Papst Ratzinger halten, haben sie gesagt: Das ist ein sehr gebildeter Mann! Da hat man schon gemerkt, das ist nicht das Wahre.

STANDARD: Hitler als Komödienstoff war für Sie nie problematisch?

Polt: Unsere Idee war, Bauerntheater zu machen. Wir spielen Dilettanten, und die sind in ihrer Art, das schlecht zu spielen, den historischen Figuren wesentlich näher, als man glaubt. Das ist meine Überzeugung. Wenn einer nur ein bisschen eine literarische Ding hat und Mein Kampf liest, muss er doch sagen, das ist ein miserabliger Krampf. Schon rein vom Stil her. Unterdurchschnitt eher.

STANDARD: Ist Ihnen das auch schon passiert, dass Leute, die man eigentlich sympathisch findet, plötzlich mit Ungeheuerlichkeiten daherkommen?

Polt: Bei mir daheim ist einmal einer im Biergarten gesessen. Lustig ist es, und er sagt: "Schau her, ist es nicht herrlich hier bei uns daheim? Der weißblaue Himmel. Da hinten die Kühe. Und da kann man jetzt sagen, was man will, aber ein Neger passt doch da gar nicht herein!" Der Mensch ist aber sympathisch! Wenn er ein Unsympathler wäre, würden alle sagen, das ist ein Rassist. Aber so sagen alle: "Jawoi, trink ma noch a Halbe, bärig ist es."

STANDARD: Je schöner die Gegend, umso mehr Nazis gibt es dort?

Polt: Da ist was dran. Wie aber können wir uns trotzdem zum Guten entwickeln? Theater ist zum Beispiel kein Schulfach. Es könnte einem Lehrer ermöglichen, Situationen durchzuspielen, in denen Kinder lernen, mit Konflikten umzugehen. Das dürfen ruhig Komödien sein.

STANDARD: Bei uns im Gymnasium darf alles ausfallen, Religion nicht.

Polt: Da weiß man, wie die Hierarchie läuft! Golo Mann hat gesagt: Erzählen wir Geschichte über das, was sie ist, sie besteht aus Geschichten. Warum haut der eine dem anderen hinten einen Dolch hinein? Da ist Science-Fiction ein Dreck dagegen. Aber erzählen wir das gut. Die Jahreszahl der Schlacht bei Ampfing brauchen wir nicht. Wichtig ist: Warum tut einer etwas, um sich durchzusetzen? Wenn man das spannend macht, kriegen wir die Leute - und die Bildung läuft nebenher. (Christian Schachinger, DER STANDARD, 1./2.2.2014)