Charles Darwins "struggle for existence" verweist auf eine dunkle Erkenntnis der Biologie: Im Daseinskampf überleben die Erfolgreicheren und am besten Angepassten. Müssen/wollen wir also alle Sieger sein? Sind wir Menschen egoistische Affen, auf sich selbst zentriert, gewinnsüchtig und rücksichtslos? Mit wienerischer Deftigkeit hat das André Heller so formuliert: "Z'erscht kumm i, daunn kumm i, und wos daunn kummt, des kummt nie." Aber führt der Raffgier-Egoismus nach oben?

Adam Grant hat in seinem Buch Give and Take den Forschungsstand aufgearbeitet. Er fand drei Typen:

  • Die Nehmenden, die aus Beziehungen mehr herauszuholen suchen, als sie investieren.
  • Die Vergleichenden. Sie sind berechnend und bereit zu geben, wenn dafür eine Gegenleistung winkt (die meisten fallen in diese Gruppe).
  • Die Gebenden, denen es darum geht, anderen relativ selbstlos zu helfen, deren Wünsche und Bedürfnisse zu erfüllen, ohne unmittelbar eine Gegenleistung zu erwarten.

Als hätten wir es nicht geahnt: Die Gebenden sind ganz unten auf der Karriereleiter: Wer zu allen lieb und nett ist, kommt nicht nach oben! Auf der mittleren Stufe tummeln sich die Nehmenden und Vergleichenden. Allerdings finden sich an der Spitze wieder häufig Gebende. Somit stellt sich die Frage, was es bringt, die eigene Lebenstüchtigkeit zu schwächen und die seiner Konkurrenten zu stärken.

Kooperation schlägt Konkurrenz

Grant nennt u. a. folgende Faktoren: Gebende sind exzellente Netzwerker. Sie stoßen durch selbstloses Entgegengehen Kooperation an. Daraus erwächst ein reziproker Altruismus. Beispielhaft dokumentieren das die Studien von Mark Granovetter. Er befragte Jobwechsler, wer ihnen Stellen empfahl. In 17 Prozent der Fälle waren es gute Bekannte, aber noch häufiger waren es Personen aus losen Kontakten (28 Prozent), die für den Erfolg im Netzwerk sorgten. Zudem nennt er die Fähigkeit von Gebenden zur Empathie und ihre Gabe zum Aufbau von Vertrauen. So sei ihr Verhandlungsstil nicht auf die Optimierung von Eigeninteressen gerichtet. Studien zeigen, dass Gebende nicht mehr oder weniger aus Verhandlungen herausholen als Vergleichende bzw. die besonders hart verhandelnden Nehmer. Ihnen gelingt es aber besser, langfristiges Vertrauen aufzubauen.

Was unterscheidet die Gebenden ganz unten von denen ganz oben? Gebende in Spitzenpositionen geben wenig oder gar nichts, wenn es ihre individuelle Zielerreichung gefährdet. Das schützt vor Selbstausbeutung. Sie sind altruistisch, solange sie sich nicht selbst schaden. Vergleichende sind hingegen altruistisch, wenn eine Gegenleistung erwartet wird.

Setzte man vierhundert Schimpansen acht Stunden in einen Airbus, landeten sie mit Bissspuren, verletzten Fellen und blutigen Nasen. Menschen schaffen das ohne Blessuren. Warum? In einer höchst komplex-kompetitiven Welt schlägt Kooperation die Konkurrenz. Motto: Du und ich statt ich oder du. Die Biologin Joan Roughgarden nennt das "Dar-win-win". Gebende sind demnach das sich daraus ergebende Selektionsresultat im "struggle for careers". (Johannes Steyrer, DER STANDARD, 1./2. 2.2014)