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Foto: ap/Reuters/Montage: Beigelbeck

"Ereignisreich" nannte Ben Bernanke seine acht Jahre als Chef der US-Notenbank Federal Reserve in seiner letzten Rede. Das ist eine Untertreibung. In seiner Amtszeit hat die schwerste Krise seit 1945 die Weltwirtschaft getroffen, die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008 zu einer Panik an den Finanzmärkten geführt und die Schuldenkrise in der Eurozone beinahe der zweitwichtigsten Währung nach dem US-Dollar das Leben gekostet.

Bernanke habe eine Wiederholung der Großen Depression der 1930er-Jahre verhindert, loben Ökonomen nahezu einhellig. In einer aktuellen Umfrage der renommierten University of Chicago unter Top-Volkswirten gaben 78 Prozent an, dass Bernankes kreative und aggressive Maßnahmen 2008 und 2009 richtig waren. Im Unterschied zur Weltwirtschaftskrise ließ der Ökonom nicht Scharen an Banken pleitegehen und die Geldmenge nicht schrumpfen.

Im Gegenteil: Während die Bilanzen der privaten Banken massiv zurückgingen, um rund 3170 Milliarden Dollar, steuerte die Fed dagegen. Die Zinsen wurden innerhalb kurzer Zeit von 5,25 auf null Prozent gesenkt, die Fed kaufte in den vergangenen fünf Jahren zudem 3266 Milliarden Dollar an Wertpapieren an. "Die Maßnahmen der Fed haben eine Weltwirtschaftskrise wie in den 1930er-Jahren verhindert", findet auch Ansgar Belke, Professor für Makroökonomie an der Universität Duisburg-Essen und Berater des Europaparlaments in geldpolitischen Fragen.

Hinterm Maestro die Sintflut

Auch Bernankes Vorgänger Alan Greenspan - ehrfürchtig als geldpolitischer "Maestro" bekannt - wurde bei seinem Abgang 2006 mit stehenden Ovationen von vielen Ökonomen verabschiedet. Doch es folgte das Platzen der Immobilienblase und die Finanzkrise. Bernanke musste daher aufräumen, was er ab 2002 als Vize-Chef der Fed mit verschuldet hatte. Die massive Überschuldung von US-Häuslbauern dank günstiger Kreditkonditionen fand gerade auch während seiner Zeit bei der Notenbank statt, ohne dass Bernanke lautstark davor gewarnt hätte.

"Bernanke war in anderer Funktion am Aufbau der Blase mitverantwortlich", kritisiert Belke. Gelernt habe die Fed daraus wenig. Zwar sorgen sich einige Fed-Gouverneure wie Jeremy Stein bereits über neue Vermögenspreisblasen, deren Platzen zu einer neuen Finanzkrise führen könnte. Doch die Fed hat sich noch keine neuen Instrumente einfallen lassen, um sich effektiv gegen ungesunde Finanztrends zu stemmen.

Tatsächlich sind die privaten und öffentlichen Schulden heute so hoch wie nie. Haushalte, Unternehmen, Regierung und Finanzsektor standen 2006 mit 27.696 Milliarden, heute mit 41.431 Mrd. Dollar in der Kreide. Bereinigt um Teuerung und Wirtschaftswachstum ist die Schuldenlast der Volkswirtschaft um weitere 14,7 Prozent gewachsen.

Bei dem durchschnittlichen Amerikaner kam die lockere Geldpolitik zudem nur indirekt an. 3,9 Millionen Menschen gelten als langzeit-arbeitslos, dreimal so viel wie vor der Krise. Zwar hat die Konjunktur zuletzt wieder an Fahrt gewonnen - im vierten Quartal ist die Wirtschaft um 3,2 Prozent gewachsen; aber der Aufschwung der letzten Jahre war "frustrierend langsam", sagt Bernanke. Er gestand kürzlich "überoptimistische" Prognosen ein.

Der 60-jährige Ökonom wolle weiter zu Geldpolitik "schreiben, reden und nachdenken", sagte er jüngst. In den vergangenen Jahren habe ihn die Krise derart beansprucht, dass er "kaum zur Reflexion gekommen" sei. Seine Nachfolgerin und langjährige Vize-Chefin, Janet Yellen, muss sich ab dem 1. Februar mit den Folgen der "ereignisreichen", aber reflexionsarmen Jahre herumschlagen. "Bernanke hinterlässt Yellen die extrem problematische Aufgabe des Exit", sagt Belke. Dabei fordert der Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik bereits seinen Tribut.

Am Mittwoch hat die Fed zum zweiten Mal in Folge den Ankauf von Staats- und Immobilienpapieren um zehn auf 65 Mrd. Dollar pro Monat gedrosselt. Was sich oberflächlich nur nach Kosmetik anhört, hat Finanzmärkte in Schwellenländern von Argentinien bis zur Türkei schwer erschüttert. Der renommierte Zentralbankchef Indiens, Rajan Raghuram, beklagte am Donnerstag, dass die "globale Kooperation in geldpolitischen Fragen zusammengebrochen ist". Die US-Geldflut seit 2008 bringt daher weiteren Zündstoff mit sich - die Bilanz der Ära Bernanke steht daher noch nicht fest. (Lukas Sustala, DER STANDARD, 31.1.2014)