Genf/Wien – Die "Langsamkeit", die Uno-Vermittler Lakhdar Brahimi manchmal vorgeworfen wird – wie er selbst in einer Journalistenrunde in Genf erwähnte –, ist genau das, was die syrischen Streitparteien momentan am Tisch hält. Müssten rasche Entscheidungen gefällt werden, dann wären die Verhandlungen – wenn man es überhaupt schon so nennen kann – von Genf II schon längst wieder vorbei. Es muss neben dem realen ein virtueller Raum geschaffen werden, in dem sich die Gegner treffen können. In diesem Raum passiert konkret erst einmal wenig, man hält sich nur darin auf. Nach dem Willen der Veranstalter heißt er "Genf I".

Am Mittwoch – Tag acht nach Konferenzbeginn – wurde aus Genf gemeldet, dass sich beide Seiten darauf geeinigt hätten, auf der Basis des Kommuniqués vom 30. Juni 2012, eben jenem Genf I, zu reden. Die Frage "Welche Interpretation von Genf I? Die amerikanische oder die russische?" wird ausgespart, genau das ist der Punkt der Verhandlungen. Und wenn sich die syrischen Verhandler nicht annähern – wovon auszugehen ist – und sich statt dessen die Amerikaner und Russen näherkommen und ihre wacklige Basis festigen, ist es auch schon etwas.

Bei der Frage, ob und wie das Assad-Regime und besonders Bashar al-Assad selbst an der "syrisch-geführten Übergangslösung" teilnehmen soll, ist momentan nicht weiter zu kommen. Assad steht heute zu gut da, um ohne Einfluss von außen zum Verzicht auf eine Rolle gebracht werden zu können. Und für die "Syrian National Coalition", die ohnehin an einem enormen Defizit leidet, was ihre Glaubwürdigkeit und Relevanz in Syrien selbst betrifft, ist es völlig unmöglich, dabei Konzessionen zu machen.

Beide Seiten verkündeten am Mittwoch, dass Genf I als Referenz akzeptiert sei, der zweite Teil der jeweiligen Mitteilungen verwies bereits auf die vielen Meilen, die sie trennen. Für die Opposition steht die Bildung einer Übergangsregierung an erster Stelle, die Regierung will Genf I Punkt für Punkt abarbeiten: Bis zur Frage einer Zusammensetzung ist es da ein langer Weg. Damaskus kann argumentieren, dass das Dokument sich zuerst mit Sicherheitsfragen befasst – auch wenn das von den Regime-Verhandlern so geliebte Wort "Terrorismus" nicht vorkommt. Und jeder Satz in den "Prinzipien und Richtlinien" von Genf I kann von beiden Parteien unterschrieben und dennoch völlig anders verstanden werden.

Genf II als "Friedenskonferenz" zu bezeichnen, ist ein großes Wort, wenn man es nicht als Beginn eines Prozesses begreift. Momentan ist es im allerbesten Fall eine "Eindämmungskonferenz", die Hoffnung ist, die Lage irgendwie und -wann zu stabilisieren und den Konflikt möglicherweise in einigen Bereichen rückzubauen. Die militärisch relevanten Rebellenkräfte sitzen nicht am Tisch, aber wenn der Teilnehmerkreis später erweitert wird und von einem breiten internationalen Konsens getragen erste Schritte vereinbart werden, dann wird das früher oder später auch seine Wirkung in Syrien zeigen. Hofft man. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 30.1.2014)