Der Fall "Leonarda" warf in Frankreich im vergangenen Herbst ähnlich hohe Wellen wie der Fall Arigona Zogaj in Österreich. Und auch jetzt gibt es wieder Parallelen. Das heute 15-jährige Mädchen war damals mitten aus einem Schulausflug von französischen Polizisten abgefangen und mit seiner Familie in den Kosovo ausgewiesen worden.

Ausländer- und Asylverbände sprachen von einem unmenschlichen Verhalten der Linksregierung; ihr wurde vorgeworfen, sie betreibe eine ebenso romafeindliche Politik wie die Rechte unter dem früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy, der sogar von EU-Seite gerügt worden war. Nun hat ein Gericht in der ostfranzösischen Stadt Besançon diese Woche entschieden, dass Leonarda Dibrani, ihre Geschwister und Eltern nicht nach Frankreich zurückkehren dürfen.

Als Grund wurde angegeben, die Ausweisung sei rechtskonform erfolgt. Die Kriterien für eine Aufenthaltsgenehmigung seien nicht erfüllt gewesen. Der Vater habe keine Bereitschaft zur Integration an den Tag gelegt; außerdem könnten die Kinder ihre schulische Ausbildung im Kosovo fortsetzen.

"Hier haben wir kein Leben"

Die Dibranis prüfen jetzt die Möglichkeit, gegen den Justizentscheid Berufung einzulegen. Sie behaupten, in ihrem Auffanglager gebe es keine Aussicht auf Arbeit und keine vergleichbare Schulbildung wie in Frankreich. Am heftigsten reagierte Leonarda. Die französischen Behörden "hätten uns besser getötet", meinte sie unter Tränen im Fernsehen. "Das ist Ungerechtigkeit. Ich werde mich umbringen, denn hier haben wir kein Leben. Mein Land ist Frankreich, hier sterben wir vor Hunger."

Leonarda lebte seit mehreren Jahren in Ostfrankreich, wo sie die Schule besuchte. Während Arigona ihre Ausbildung in Österreich fortsetzen darf, hat Leonarda kaum Chancen, vor einem französischen Gericht Recht zu erhalten. Präsident François Hollande bot ihr zwar an, - wie Arigona - in Frankreich allein die Schule zu besuchen, was die Dibranis geschlossen ablehnten. Ihr Anwalt hofft auf europäische Rechtsprechung, da Leonarda in Besançon gut integriert gewesen war.

Die französische Menschenrechtsliga wirft der Rotgrün-Koalition in Paris vor, sie habe 2013 doppelt so viele Roma-Lager geschleift wie im Jahr zuvor. Hollande stellt aber in Abrede, dass es ihm um eine "Politik der Zahlen" gehe wie seinem Vorgänger Sarkozy. Bei einer Pressekonferenz Mitte Januar erklärte er, Frankreich wende nur das Recht an und habe angesichts seiner Roma-Politik "nicht zu erröten". (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 30.1.2014)