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Ein vor wenigen Tagen in Homs aufgenommenes Foto: Zivilisten machen auf das Leiden der Bevölkerung aufmerksam.

Foto: Reuters/Homsy

Genf/Wien – Homs, die einst drittgrößte Stadt Syriens, ist einer der schrecklichsten und symbolträchtigsten Schauplätze des Kriegs in Syrien. Das heute schwer zerstörte historische Emesa war eines der ersten Zentren des Protests im März 2011, die vom Assad-Regime mit brutaler Repression beantwortet wurden – was dem Aufstand erst Struktur verlieh. Lokale Gruppen – die "Local Coordination Committees"  – und jene Milizen, aus denen später die Free Syrian Army wurde, namentlich die Faruk-Brigade, bildeten das heimische militärische Rückgrat, später strömten Kämpfer von außen in die Stadt. Die Frage, ob die Zivilbevölkerung diese Entwicklung so wollte, stellte niemand.

Erbittert gekämpft wurde nicht um die ganze Stadt, sondern um einzelne Stadtviertel, die dabei in Schutt und Asche gelegt wurden. Die Fraktionierung der Kämpfe kam auch daher, dass es traditionell sunnitische, alawitische oder christliche Wohngegenden gab – wobei besonders Nichtsunniten nicht nur vor den Kämpfen, sondern auch den Rebellen flohen. Nach zwei Jahren erbitterter Kämpfe konnte im Sommer 2013 die Regime-Armee – die dazu von Hisbollah-Kämpfern unterstützt wurde – die Kontrolle über weite Teile der Stadt herstellen. Das historische Zentrum und das Viertel Khaldiya stehen seit Monaten unter einer Belagerung, die bereits mit Stalingrad verglichen wurde. Die Schätzungen, wie viele Zivilisten dort in den Kellern der Ruinen leben – und sterben –, reichen von 2000 bis 2500.

Lange stand Homs im Zentrum der medialen Kriegsberichterstattung, heute liegt es abseits. Der jüngste Versuch von Rebellen, die Belagerung zu durchbrechen, scheiterte vor etwa zehn Tagen. Die Armee macht jedoch auch keine besonderen Anstalten, den Stadtteil einzunehmen. Er sei, angesichts der konsolidierten Kontrolle der Gebiete rund herum, für das Regime von geringem strategischem Wert, für den sich große Opfer nicht lohnen, sagt ein Militärexperte, der anonym bleiben will, zum Standard. So wird "nur"  mit Steilfeuer und der Luftwaffe hin und wieder in das terrorisierte Viertel hineingeschossen.

Über die genaue Zusammensetzung der in Homs eingeschlossenen Kämpfer wird man vergebens verlässliche Informationen suchen. Man weiß, dass zu den Rebellen der ersten Stunde, die dort mit ihren Familien wohnen, syrische Salafisten dazugekommen sind, etwa die Ahrar al-Sham (die "Freien der Levante" ), die heute zur saudi-arabisch gesponserten "Islamischen Front"  gehören. Aber auch die Präsenz von al-Kaida-nahen Jihadisten wie ISIS (Islamischer Staat im Irak und Syrien) und Nusra-Front ist bestätigt.

"Aufhebung der Belagerung" 

Aus dieser Hölle sollen nun die Frauen und Kinder abziehen dürfen, das wurde als Ergebnis der direkten – beziehungsweise über Uno-Vermittler Lakhdar Brahimi geführten – Genf-Gespräche bekannt gegeben. Am Montag widersprachen jedoch Mitglieder der Opposition dieser Version: Man verlange den Zugang für Hilfskonvois und die schrittweise Aufhebung der Belagerung.

Selbst wenn das Regime die Frauen und Kinder tatsächlich herauslassen sollte – und vor allem eine Kontrolle von außen erlaubt, die deren Sicherheit gewährleistet –, so ist nicht gesagt, dass die eingeschlossenen Kämpfer das wollen und zulassen. Die ersten Meldungen aus Homs scheinen darauf hinzuweisen. Laut Reuters tauchte ein Video auf, das Demonstranten mit islamischen Fahnen zeigte, die von "Verrat"  sprachen. Die Kämpfer sollen fürchten, nach dem Abzug der Familien von der Armee überrannt und umgebracht zu werden. Was umgekehrt unterstellen würde, dass das Assad-Regime Rücksicht auf Frauen und Kinder nimmt – das passt auch nicht zum Narrativ. (Gudrun Harrer /DER STANDARD, 28.1.2014)