Smartphone-Gruß aus der Gegenwart: Michael Gempart und Tim Breyvogel (re.).

Foto: Schauspielhaus

Wien - Stefan Zweigs autobiografischer Roman Die Welt von Gestern, der Abgesang auf das innerhalb eines Menschenlebens von zwei Weltkriegen gebeutelte Europa, ist gedanklicher Leitfaden der aktuellen, gleichnamigen Schauspielhaus-Serie. Was ist aus dem Erbe des Vielvölkerstaats geworden? Wozu haben politische Manifeste geführt? Was bewahrt der heutige Urgroßvater, der damals, zur Zeit des Ersten Weltkriegs, selbst noch ein Kind war?

In fünf Teilen folgen junge Dramatiker in neu verfassten kurzen Stücken Stefan Zweigs Erinnerungen eines Europäers (Untertitel). Mit dem Sound der Synthie-Pop-Nummer Trans Europa Express von Kraftwerk zieht man das Ganze an die Gegenwart heran, zu Dialogen zwischen den Generationen, zu heutigen Erinnerungen von Zeitzeugen, die von den Projektleiterinnen Anne Habermehl und Felicitas Brucker in Gesprächen recherchiert wurden.

Glanz und Schatten Europas von Anna Habermehl machte vor einer Woche im Palais Strudlhof den Anfang, in jenem holzvertäfelten historischen Saal, in dem im Juli 1914 das Ultimatum an Serbien unterschrieben wurde. Das Schauspielhaus ist jeweils nur Treffpunkt für das Publikum, das dann von Laternenträgern zu dem jeweiligen Schauplatz im neunten Bezirk geleitet wird.

Im Berchtold-Saal über der Strudlhofstiege suchte ein altes Paar (Margarethe Tiesel und Michael Gempart) mit Megafon und Taschenlampe nach seiner gemeinsamen Geschichte und dem Sinn, den ihre Existenzen im Heute weiter bergen. In schrägen, völlig unsentimentalen Dialogen und einem guten Szenenwechsel (Habermehlt führt auch Regie) begegnen sich die Zeitebenen: Die "Betreuungsverfügung", die den betagten Leuten heute ins Haus flattert, gleicht einer "Kriegserklärung".

Teil 2 der Serie, Die Welt der Sicherheit von Philipp Weiß, führt in den eine Dauerausstellung zum Zweiten Weltkrieg beherbergenden Luftschutzbunker im Arne-Carlsson-Park Ecke Währinger Straße/Nußdorfer Straße. Hier trifft ein junger Mann namens Ulrich Kutschera (Tim Breyvogel) auf seinen Urgroßvater (Michael Gempart). Das Enkel-Uropa-Verhältnis, das ziemlich platt damit beginnt, dass dem Alten die Gegenwart mit der Vorführung eines Smartphones eingebläut wird, entwickelt erst in der Folge seine Dringlichkeit.

Hier versuchen ein gescheiterter Monarchist (Opa mit weißer Pelzmütze und Blinklichtumhang) und ein an der Figur Anders Breiviks angelehnter islamfeindlicher Rechter (Enkel) miteinander ins Gespräch zu kommen, was nicht gelingt. In einem bizarren Rollenspiel ("Ja, Herr SS-Sturmbannführer Ulrich!") offenbaren sich Ängste und die Paranoia, die eine Familiengenealogie birgt. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD, 25.1.2014)