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Keine Abwertung! Das hatte Argentiniens Staatspräsidentin Cristina Kirchner stets versprochen. Doch in der zugespitzten Krise aus Inflation und Kapitalflucht schockt Argentinien mit einer Abwertung.

Foto: Reuters/MARCARIAN

Buenos Aires/Istanbul/Wien - Argentinien hat am Freitag mit der größten Währungsabwertung seit der schweren Krise 2002 Schockwellen durch die Finanzmärkte geschickt. Währungen von der türkischen Lira bis zum südafrikanischen Rand werteten deutlich ab. Der russische Rubel und die ukrainische Hrywnja werteten gegen den Dollar auf den niedrigsten Stand seit Jahren ab.

Die argentinische Notenbank hat diese Woche aufgehört, den Peso mit Devisenmarktinterventionen zu stützen. Das löste den Kurssturz aus. Seit Donnerstag wertete der Peso um knapp 14 Prozent ab. Kurz zuvor hatte Staatspräsidentin Cristina Kirchner einen solchen Schritt noch ausgeschlossen. "Die Zentralbank musste die Reißleine ziehen", sagt Neil Shearing, Schwellenländerökonom bei Capital Economics in London. Die Währungsreserven in Buenos Aires sind nach jahrelangen Stützungskäufen auf den niedrigsten Stand seit sieben Jahren gefallen, knapp unter 30 Milliarden Dollar. Allein 2013 hat das Land knapp 13 Milliarden Dollar aufwenden müssen.

Auch mit Kapitalverkehrskontrollen versuchte Kirchner, die Kapitalflucht zu verhindern. Doch angesichts einer galoppierenden Inflation tauschten zuletzt immer mehr Argentinier ihr Geld in Dollar. Seit 2007 haben die Inflationszahlen in Argentinien kaum mehr etwas mit der Realität zu tun, kritisieren Ökonomen. Inoffizielle Messungen der Teuerung kommen immer wieder auf deutlich höhere Inflationszahlen als das argentinische Statistikamt. Alberto Cavallo, Ökonomieprofessor an der renommierten US-Universität MIT, hat etwa basierend auf Daten von Onlinehändlern einen eigenen Inflationsindex gebaut. Seinen Berechnungen zufolge beträgt die Teuerung aktuell mehr als 24 Prozent, mehr als doppelt so viel, wie das Statistikamt mitteilt.

Dollar als Stabilitätsanker

Nun greift Argentinien offenbar zum Dollar als Stabilitätsanker und will die Kapitalverkehrskontrollen lockern. Ab Montag gelten niedrigere Steuersätze für den Kauf von US-Dollar, wie ein Regierungsvertreter am Freitag ankündigte. Zugleich solle es erlaubt werden, Sparguthaben in Dollar zu halten.

Der Schock an den Finanzmärkten hat vor allem Länder wie die Türkei getroffen. Das Land am Bosporus ist auf ausländisches Kapital angewiesen, um sein hohes Leistungsbilanzdefizit zu finanzieren. Shearing warnt, dass die Abhängigkeit der Türkei trotz hohen Wachstums zu einer abrupten Krise führen könnte: "Es besteht das ernsthafte Risiko einer makroökonomischen Krise. Viele Investoren waren zu lange zu zuversichtlich." An der Istanbuler Börse machte sich am Freitag panikartige Stimmung breit, nachdem die türkische Zentralbank am Vortag erneut mit ihrem Versuch gescheitert war, den Sturz der Lira durch einen Rekordverkauf von Dollar aufzuhalten. Drei Mrd. Dollar warf die Bank am Donnerstag aus ihren Reserven in den Markt, während die Lira über die Marke von 2,30 für einen Dollar rutschte und am Freitag 2,33 erreichte; 3,19 wurden für einen Euro notiert.

Insgesamt gab die türkische Zentralbank seit Jahresbeginn bereits 5,87 Milliarden Dollar zur Stützung der Lira aus. Die Kritik an Zentralbankchef Erdem Basci nimmt nun rasch zu. Basci hatte bereits vergangenen Sommer Ungläubigkeit geerntet, als er angab, die Lira könnte Ende 2013 unter Umständen auf 1,92 für einen Dollar fallen, und damals versicherte: "Wir werden die Lira wie Löwen verteidigen." Seither verlor sie rund 20 Prozent ihres Wertes.

Regierungschef Tayyip Erdogan und Wirtschaftsminister Nihat Zeybekçi sind bisher strikt gegen eine Anhebung der Leitzinsen. Die Zentralbank verzichtete bei ihrer Sitzung diese Woche auch auf diesen Schritt. Zeybekçi versicherte, eine schwache Lira sei "positiv und gesund" für den Export. Die türkischen Unternehmerverbände sehen das anders. Unternehmen, die Kredite in ausländischer Währung aufgenommen haben, seien ruiniert, stellte der Chef der Mittelstandsvereinigung Türkonfed fest. (Lukas Sustala, Markus Bernath, DER STANDARD, 25.1.2014)