Die Wiener Vizebürgermeisterin und Vorsitzende der Wiener SPÖ-Frauen Renate Brauner wohnt seit vielen Jahren im Fünften. Mit Wojciech Czaja sprach sie über Stockbusse und die Sehnsucht nach der weiten Welt.

"Ich liebe den Fünften. Das ist ein vielfältiger, prosperierender Bezirk, ohne aber dass es hier in irgendeiner Weise schickimicki zugeht. Der Anteil an Zuwanderern ist hoch, und viele davon haben sich schon erfolgreich etabliert. Es gibt eine tolle Gastronomieszene, und mit dem Filmcasino gibt es nur wenige Minuten von meiner Wohnung entfernt eine innovative Wiener Kino-Institution. Ich liebe die Lebendigkeit, die Vibrations, wie man so schön sagt. Schon seit vielen Jahren – egal, ob Gründerzeitwohnung oder Biedermeierhaus – bewege ich mich nun in konzentrischen Kreisen um Margaretens Mitte. Was soll ich sagen? Ich fühle mich hier einfach wohl.

Renate Brauner und ihr Esstisch – jener Ort, an dem der eine fragt: "Und, wie war dein Tag heute?" Woraufhin der andere sagt: "Ach, reden wir nicht drüber!" (Foto: Lisi Specht)
Foto: Lisi Specht

Gefunden habe ich diese Wohnung hier zufällig. Ich war damals als Gemeinderätin beim Spatenstich, und dann, in einer günstigen Minute, ist ein sehr sympathischer Herr auf mich zugekommen, das war der Architekt Albert Wimmer, so hat das eine zum anderen geführt, und nun, seit mehr als 15 Jahren – wie die Zeit vergeht! -, bin ich Mieterin dieser rund 93 Quadratmeter großen Maisonette-Wohnung mit Terrasse.

Ich genieße den Ausblick sehr. Die Fenster im Wohnzimmer sind leicht nach außen gekippt, was unsere Gäste immer wieder leicht verunsichert, vor allem am Ende eines langen Abends, wenn schon ein Achterl getrunken wurde. Dafür aber sieht man auf den Schütte-Lihotzky-Park, der nicht zuletzt dank des Engagements der Wiener SPÖ-Frauen der Architektin und Widerstandskämpferin Margarete Schütte-Lihotzky gewidmet ist. Kurz vor ihrem Tod, im Alter von fast 103 Jahren, durfte ich sie einmal sogar persönlich kennenlernen. Auch sie war im Fünften daheim.

Aufgewachsen bin ich jedenfalls ganz anders – ohne Ausblick und ohne Bäume vorm Zimmer. Meine Kindheitswohnung war in der Belvederegasse und bestand aus Küche und Kabinett, mit Klo am Gang. Ich kann mich erinnern, dass uns früher halb Wien ins Zimmer g'schaut hat. Wir haben damals im ersten Stock gewohnt, und jedes Mal, wenn der 13A, damals noch Stockbus, vorbeigefahren ist, war mein Bett auf einer Höhe mit den Fahrgästen der Wiener Linien. Für mich war das ja lustig. Doch der Rest der Familie hatte keine Freude damit.

Ich fühle mich in dieser Wohnung sehr wohl – auch wenn ich sie nicht besonders oft richtig nutzen kann. Der Esstisch ist eigentlich für bis zu zwölf Leute gedacht, allerdings passiert es selten, dass wir wirklich so viele Gäste haben. Wie man sich vorstellen kann, lässt einem der Beruf nicht allzu viel Freizeit. Bei meinem Mann Hubert, er ist Fotograf, ist das auch nicht anders. Meistens dient uns der Tisch als Kommunikationsmitte. Das ist der Ort, an dem der eine sagt: ‚Und, wie war dein Tag heute?' Woraufhin der andere lachend antwortet: ‚Ach, reden wir nicht drüber!'

Alles in allem würde ich unseren Einrichtungsstil als hell und freundlich bezeichnen. Besonders wichtig war uns von Anfang an, dass die Stiege in den ersten Stock jederzeit mit einem Treppenlift nachgerüstet werden kann, damit wir eines Tages eine barrierefreie Situation schaffen können. Vielleicht wird das einmal notwendig werden. Ich hoffe aber nicht!

Wir haben eine gewisse Sehnsucht, was das Reisen betrifft. Wo auch immer wir sind, ob nun in Asien oder in Afrika, nehmen wir meist ein paar Mitbringsel mit: Masken, Figuren, Trommeln, kleinere Kunstwerke. Ich bin eine begeisterte Reisende, schnuppere gerne in fremde Kulturen hinein und lasse mich von neuen Eindrücken entführen. Allerdings komme ich nicht oft zum Reisen, und so leisten uns die Souvenirs aus Vietnam, Myanmar, Kuba und Südafrika die übrigen 49 oder 50 Wochen Gesellschaft." (DER STANDARD, 25.1.2014)