Da ist einiges schiefgelaufen bei der Wahl des ADAC zum "Lieblingsauto der Deutschen". Der Betrug ist inakzeptabel. Aber rechtfertigt er, dass jetzt die Arbeit von Pannenfahrern, Technikern, Juristen, Verkehrspsychologen und Journalisten pauschal verunglimpft wird?

Rund 3.300 Menschen in ganz Österreich arbeiten beim ÖAMTC und für dessen Mitglieder – Pannenfahrer, Juristen, Reisebüro-Angestellte, Techniker, Fahrtechnik-Instruktoren, Verkehrsexperten, Bürokaufleute. Alle miteinander sehen sich seit dem vergangenem Wochenende nicht nur (zumeist sachlicher) Kritik in Medien ausgesetzt, sondern auch einer Welle von Beschimpfungen und Unterstellungen in Social-Media-Netzwerken, die ein erstaunliches Ausmaß angenommen haben.

Was war geschehen?

Dem Chefredakteur des ADAC-Magazins "Motorwelt" ist die Anzahl der abgegebenen Mitglieder-Stimmen bei der Wahl zum „Gelben Engel" gar zu mickrig vorgekommen. Es erschien ihm wohl peinlich, dass nur 3.400 Stimmen den VW Golf zum Sieger gekürt hatten, und so hat er die Zahlen ums Zehnfache nach oben frisiert.

Das tut man nicht. Das war Betrug, ganz klar. Zwar ohne konkreten Schaden, denn der Golf hätte so und so gewonnen, aber der ADAC-Mann hat die Öffentlichkeit belogen. Und er hat die Clubmitglieder belogen. Das hat die Auszeichnung mehr entwertet, als es die geringe Teilnahme an der Abstimmung vermocht hätte. Nun wird alles angezweifelt, was der ADAC macht, von der Pannenstatistik über Raststätten- bis zu Reifentests – und in Österreich wird der ÖAMTC in den selben Topf geworfen.

Die geballte Häme der Community entlädt sich in angriffigen Postings: „autotests sind eh für die würscht"; „Da gewinnt immer der Reifen, dessen Hersteller im Heft die größten Inserate schaltet"; „gekaufte tests sind doch gang und gäbe, nicht nur in der autobranche"; „Wieviel zahlt euch die Auto-/Reifenlobby?"; „offensichtlich manipulierte Tests" – das sind nur einige der Kommentare unter den Artikeln in „derStandard.at" über die ADAC-Affäre. Poster „marcaurell" weiß sogar ganz genau, wie Tester bestochen werden: „... der schicke Kleinwagen für die Frau dessen Leasingrate wie von Zauberhand bezahlt wird, die Breitling im Handschuhfach damit man beim objektiven Testen ein genaues Chronometer hat..."

Üble Unterstellungen

Das ist übel. Unterstellt es ja einer Berufsgruppe pauschal, praktisch ständig zum eigenen Vorteil zu lügen und Ergebnisse zu verfälschen. Nun liegt es mir fern, die Zahlenspielereien des Ex-Kollegen aus München zu verteidigen. Aber plötzlich scheint es ja um etwas völlig anderes zu gehen. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht...

Der von der "Süddeutschen Zeitung" aufgedeckte Schwindel reißt nicht nur wie ein Tsunami die Glaubwürdigkeit aller Aktivitäten des ADAC mit sich. Er beschädigt in weiterer Folge die – nach wie vor vollkommen intakte – Vertrauenswürdigkeit des österreichischen Partnerclubs ÖAMTC, die Sinnhaftigkeit von Produkttests allgemein und die Integrität von Journalisten; alles in einer reißenden Woge der Diffamierung. Das trifft ja nicht nur den ÖAMTC, es trifft auch Redakteure des STANDARD und aller anderen Publikationen, die Testberichte veröffentlichen. Am Rande streiten sich Poster auch noch um die Qualität oder Nichtqualität von Volkswagen-Produkten, die angeblich allesamt schwer überbewertet und selbstverständlich nur dank üppiger Bestechung viel zu gut beurteilt werden.

So wird getestet

Man sollte die sprichwörtliche Kirche im Dorf lassen. Natürlich sind Produkttests sinnvolle Orientierungshilfen vor dem Kauf von hochwertigen Konsumgütern. Crashtests, Reifentests, Tunneltests und Kindersitztests werden nicht von Journalisten durchgeführt, sondern von spezialisierten Technikern nach präzise definierten Kriterien und zum Großteil unter Laborbedingungen. Der ÖAMTC arbeitet dazu mit anderen Clubs (etwa dem ADAC, dem Schweizerischen TCS oder dem niederländischen ANWB) sowie mit Konsumentschutzorganisationen wie der Stiftung Warentest, dem Verein für Konsumenteninformation und EuroTest zusammen.

Diese Institutionen bilden ein Test-Konsortium, sodass keiner der Partner die Ergebnisse einseitig beeinflussen kann. Das entlarvt die Mär von den bloß "übernommenen" Reifentests: Der ÖAMTC übernimmt überhaupt keine ADAC-Tests, sondern führt sie mit diesem gemeinschaftlich durch. Daran wird sich auch nichts ändern, denn die Fachkompetenz der Tester ist außergewöhnlich hoch, ebenso wie die technischen Möglichkeiten, die all diesen Institutionen zur Verfügung stehen. Nicht zu vergleichen mit Tests einer Zeitung oder selbst einer Fachzeitschrift. Bei Winterreifentests ist der österreichische Club übrigens federführender Testpartner.

Auch die Hersteller der getesteten Produkte haben keinerlei Einfluss auf das Ergebnis: Alle Reifen, Kindersitze, Sturzhelme, selbst die Autos für die aufwändigen und teuren Crashtests werden von den Testpartnern anonym im Handel gekauft. Wenn Autos gecrasht werden sollen, die noch gar nicht bei den Händlern stehen, wird willkürlich eines aus der frühen Serienproduktion ausgewählt, sodass die Hersteller keine Chance haben, das Exemplar vor der finalen Fahrt an die Wand zu präparieren.

Gesamtfahrzeugtests führt beim ÖAMTC die Redaktion des Mobilitätsmagazins "auto touring" durch – nicht anders als alle anderen Motorredaktionen in Österreich. Die getesteten Autos und Motorräder sind die einzigen Produkte, die für einen Test nicht angekauft werden; sie werden von den Herstellern für einen gewissen Zeitraum unter bestimmten Auflagen zur Verfügung gestellt. Neuwagen eigens zu Testzwecken zu kaufen, kann sich kein Verlag und auch nicht der ÖAMTC leisten. Dieses Verfahren läuft beim auto touring haargenau so ab wie beim "Standard", bei anderen Tageszeitungen oder auch Autozeitschriften.

Und wie alle anderen 3.300 Mitarbeiter des ÖAMTC machen auch die Testredakteure des auto touring ihren Job für die 1,9 Millionen Clubmitglieder. Deren bestmögliche und objektive Information ist der einzige Grund für die aufwändigen Fahrzeugtests. Der Vorwurf, einzelne Automarken würden gegenüber anderen bevorzugt oder die Testergebnisse stünden gar mit den Inseraten in Zusammenhang, ist vollends absurd: Welche Publikation wäre wohl unabhängiger als die des ÖAMTC, der sich ja nicht durch Anzeigen, sondern durch Mitgliedsbeiträge finanziert? Die Leistungen, die er seinen Mitgliedern dafür bietet, sind offenbar mehr als zufriedenstellend, denn deren Zahl steigt und steigt Jahr für Jahr um rund 3 Prozent.

Nun kann man der Meinung sein, dass Journalisten generell eine korrupte Bagage sind, der man kein Wort glauben darf. Doch dass Autos und Motorräder von erfahrenen Motorjournalisten getestet und beschrieben werden, hat seinen guten Grund. Man frage sich nur, auf wessen Urteil wohl mehr Verlass ist: das von jemandem, der Informationen über ein Auto gesammelt hat, oder von jemandem, der das betreffende Auto schon gefahren ist? Selbstverständlich zweiteres.

Vertrauen

Und ist es nicht sinnvoller, jemandem zu vertrauen, der seit vielen Jahren hunderte von verschiedenen Autos fährt und beurteilt und dadurch Vergleichsmöglichkeiten hat, die einem Durchschnittsautofahrer nie im Leben zur Verfügung stehen – als jemandem, der nur dieses eine Auto kennt? Selbstverständlich ist es das. Wenn man im Begriff steht, für ein neues Auto eine Investition von einigen zehntausend Euro zu tätigen, ist es nicht ganz sinnlos, sich Rat bei unabhängigen Experten zu suchen. Es war übrigens der auto touring, in dem der VW Golf sich im Vergleich einem Hyundai i30 geschlagen geben musste.

Der Marcus des ÖAMTC ist nicht der Gelbe Engel

Auch der ÖAMTC hat seit vergangenem Jahr seinen eigenen Autopreis. Der Club verleiht den Marcus (heuer am 14. März), und der hat mit dem deutschen "Gelben Engel" nichts zu tun. Der Marcus wurde völlig neu konzipiert: Erstens wurden eigene Auswahlkriterien geschaffen und zweitens dafür Sorge getragen, dass Manipulation von vornherein ausgeschlossen ist.

Fünfzehn Auszeichnungen vergibt der ÖAMTC im Rahmen der Marcus-Verleihung. Die zur Wahl stehenden Autos, durchwegs Neuerscheinungen des vergangenen Jahres, sind in acht Kategorien eingeteilt. Die ÖAMTC-Mitglieder sind eingeladen, in sieben dieser Kategorien – von Kleinwagen bis zu Sportwagen – ihre Favoriten zu wählen. Zur Online-Teilnahme ist die Registrierung mit der Clubkartennummer erforderlich, wer den Stimmzettel händisch ausfüllt und einsendet, muss ebenfalls seine Mitgliedsnummer eintragen. So werden Nichtmitglieder sowie eine mehrfache Teilnahme an der Abstimmung ausgeschlossen.

Doch das ist nur ein Teil der Marcus-Wahl. Ergänzt wird das Verfahren durch eine Wirtschaftlichkeitswertung, für die Club-Experten in eben diesen sieben Fahrzeugkategorien die Jahreskosten jedes einzelnen Autos ausrechnen. Das wirtschaftlichste jeder Kategorie wird ebenfalls mit einem Marcus ausgezeichnet. Die der Kalkulation zugrunde liegenden Daten und das Ermittlungsverfahren sind beim ÖAMTC jederzeit einsehbar.

Den fünfzehnten Marcus schließlich erhält das technisch innovativste Auto, das im Vorjahr auf den Markt gekommen ist (das ist die achte Kategorie). Dieser sogenannte "Wegweiser" wird von einer Jury bestimmt, die aus sechs ausgewiesenen und von der Industrie unabhängigen Automobilexperten besteht. Jeder einzelne Schritt der drei Wertungen sowie die Auslosung der Gewinne werden notariell begleitet und dokumentiert. Transparenter geht es nicht, Mogeleien sind unmöglich.

Es gäbe ja auch gar keinen Grund dafür: Natürlich machen nicht alle 1,9 Millionen Mitglieder bei der Abstimmung mit. Die Votings von einigen zehntausend Teilnehmern sind trotzdem höchst aussagekräftig.

Nur für die Mitglieder da

In jedem Pannenfahrzeug, in jedem Stützpunkt, in jeder Geschäftsstelle, in jedem Büro und in jedem Hubschrauber-Cockpit, in denen ÖAMTC-Mitarbeiter ihrer Arbeit nachgehen, steht ein Grundprinzip an oberster Stelle: Wir sind für unsere Mitglieder da. Sie sind es, die Rat suchen, Hilfe brauchen, beraten werden wollen. Sie schätzen das gute Gefühl, beim Club zu sein, weil sie wissen, dass der ÖAMTC keine fremden Interessen vertritt, sondern ausschließlich die seiner Mitglieder. Sie sind es auch, die den Club mit ihren Beiträgen finanzieren und ihn so unabhängig machen. Dafür können sie mit Recht bestmöglichen Ratschlag, praktische Hilfe und ehrliche Tests erwarten. Und genau das bekommen sie auch. (Leserkommentar, Peter Pisecker, derStandard.at, 24.1.2014)