Linz – Höflichkeit und gutes Benehmen als Erziehungsziel? Das war einmal! 69 Prozent der Österreicher sagen, dass sie auf jeden Fall so erzogen worden sind – bei weiteren 23 Prozent hat diese Sekundärtugend in der Erziehung zumindest mitgespielt. Wobei die guten Manieren von den über 50 Jahre alten Befragten als Inhalt der eigenen Erziehung deutlich häufiger genannt werden als von den jungen Befragten.
Fragt man aber, welche Erziehungsziele für die heutigen Kinder gelten, dann rangiert das gute Benehmen nur noch im Mittelfeld: Nur 58 Prozent halten es für sehr wichtig – allerdings ist es den ÖVP-Wählern noch überdurchschnittlich wichtig. Die fundierte Schulausbildung, die in der Erinnerung der Österreicher an die eigene Kindheit nur an zweiter Stelle steht, rückt dagegen auf den ersten Platz vor.

Market-Studienleiter David Pfarrhofer: "Befragte, die selbst nur einen Pflichtschulabschluss haben, geben an, dass bei ihrer Erziehung nicht so viel Wert auf Schulbildung gelegt wurde – und leider neigen sie auch dazu, Schulbildung als Erziehungziel für die folgende Generation als weniger wichtig einzuschätzen." Ähnlich ist es bei der Frage nach der positiven Einstellung zum Lernen. Insofern sei Bildung teilweise doch erblich.

Deutlich an Bedeutung zugenommen hat der gesunde Lebensstil, zu dem 75 Prozent nach eigenen Angaben mehr oder weniger klar erzogen wurden – für die nächste Generation halten das 89 Prozent für wichtig, darunter 65 Prozent für "sehr wichtig". Ähnlich ist es mit der Erziehung zu Offenheit für Menschen aus anderen Kulturen und mit anderer Hautfarbe: Dies wird nur von vier Prozent als gänzlich unwichtig und von weiteren zehn Prozent als wenig wichtig eingeschätzt. Hier fallen die erklärten FPÖ-Wähler mit besonders hohen Nennungen auf. Dabei sagen FPÖ-Wähler nicht öfter als andere, dass ihnen diese Offenheit nicht von Kindesbeinen an beigebracht worden sei.

Kein Thema: Enthaltsamkeit

Bescheidenheit mag sprichwörtlich eine Zier sein, aber Orientierung gibt sie nur jedem Zweiten: "Ältere Befragte und Menschen, die nur die Pflichtschule besucht haben, sagen zwar tendenziell öfter, dass man ihnen beigebracht hat, sich vom Leben nicht allzuviel zu erwarten, doch insgesamt ist nur jeder zweite Österreicher zu Bescheidenheit erzogen worden und noch weniger wollen diesen Wert an Kinder weitergeben", sagt Pfarrhofer.

Ganz am Ende der Skala steht sexuelle Enthaltsamkeit: Selbst bei älteren Befragten ist das in der Erinnerung an die eigene Kindheit kaum ein Thema, bei Frauen etwas mehr als bei Männern, aber es war offenbar schon bei der Erziehung der heutigen Erwachsenen nicht mehr wichtig. Und nur jeder achte Befragte hält Enthaltsamkeit für einen Wert, den man nächsten Generationen weitergeben sollte. (Conrad Seidl, DER STANDARD, 24.1.2014)