Kinder und Jugendliche leiden öfter an psychischen Erkrankungen, als gemeinhin angenommen - die Ärztekammer fordert eine bessere Versorgung und eine Enttabuisierung des Themas.

Foto: der standard/Corn Heribert

Es sei begrüßenswert, dass eine öffentliche Diskussion über die psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung von Kindern und Jugendlichen stattfinde und das Mangelfach Kinder- und Jugendpsychiatrie in den Fokus der Öffentlichkeit rücke, sagt Charlotte Hartl, Obfrau der Bundesfachgruppe Kinder- und Jugendpsychiatrie der Ärztekammer. Sie reagiert damit auf die vom Team Stronach losgetretene Debatte über die Verschreibung von Antidepressiva bei Kindern und Jugendlichen und betont, dass psychische Erkrankungen in jedem Alter ernst zu nehmen seien und von Experten behandelt werden müssten.

"Kinder- und Jugendpsychiatrie noch in Kinderschuhen"

"Eine psychische Krankheit verschwindet nicht einfach wieder, sie muss auf mehreren Ebenen behandelt werden. Medikamente alleine richten meist nicht viel aus, wenn man sich nicht auch die Ursache des Problems vornimmt", sagt Hartl. Eine Zusammenarbeit zwischen Fachärzten und anderen Gesundheitsberufen wie Psychotherapeuten sei für eine optimale Behandlung das Um und Auf. 

Generell ortet die Expertin enormen Verbesserungsbedarf in der Versorgung. "Das Fach der Kinder- und Jugendpsychiatrie steckt noch in den Kinderschuhen und ist noch nicht einmal zehn Jahre alt, die Versorgung entsprechend mager", so die Expertin. Obwohl es in jüngster Zeit graduelle Verbesserungen gegeben hat und der Politik die Problematik durchaus bewusst ist, sei dieses Gebiet nach wie vor ein Mangelfach. Mehr Ausbildungsplätze sowie mehr Betreuungsplätze in Rehabilitationseinrichtungen wären ein guter Anfang, mehr Kassenärzte ebenfalls.

Zu Enttabuisierung beitragen

"Es kann nicht sein, dass Eltern, die unter der psychischen Krankheit ihres Kindes ebenso leiden wie das Kind selbst, für die Behandlungskosten privat aufkommen müssen. Wir brauchen schlicht und ergreifend in allen Bundesländern Kassenplanstellen, im Burgenland, in Salzburg und der Steiermark haben wir noch keine einzige", so Hartl. Die aktuelle Diskussion könne zur Enttabuisierung beitragen. Kinder und Jugendliche litten nämlich öfter an psychischen Erkrankungen, als gemeinhin angenommen. So seien rund fünf Prozent aller Kinder bereits depressiv - "darüber kann man nicht einfach den Mantel des Schweigens breiten", so die Expertin.

Das Problem bestehe nicht darin, dass Kindern und Jugendlichen Antidepressiva verschrieben würden, denn kein Arzt werde leichtfertig ein Rezept ausstellen, wenn es nicht unbedingt erforderlich sei. Das Schlimme sei vielmehr, dass psychische Erkrankungen noch immer ein Tabuthema seien, und das quer durch alle Altersgruppen. Die Expertin mahnte abschließend zum behutsamen Umgang mit diesem sensiblen Thema: "Es hilft niemandem, wenn kranke Kinder und Jugendliche für populistische Zwecke instrumentalisiert werden." (red, derStandard.at, 24.1.2014)