Die Europäische Union startet eine Vermittlungsmission in der Ukraine, um eine weitere Eskalation der Gewalt zu verhindern und zwischen Regierung und Opposition eine politische Lösung des Konflikts zu erreichen. Zunächst wird EU-Erweiterungskommissar Štefan Füle im Auftrag von Präsident José Manuel Barroso nach Kiew zu Gesprächen mit Präsident Wiktor Janukowitsch reisen. Ihm soll EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton folgen, dann eine Delegation von Vertretern des Europäischen Parlaments unter der Führung des Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses, Elmar Brok.

Das wurde in einem Telefonat zwischen Barroso und Janukowitsch am Donnerstag vereinbart. Ziel: den ukrainischen Präsidenten davon zu überzeugen, dass das Ingangsetzen eines konstruktiven Dialogs mit der Opposition und den Demonstranten auf dem Maidan das Beste auch für ihn selber sei. Man bereitet sich in Brüssel darauf vor, rasch Sanktionen gegen Verantwortliche für die Gewalt und die Tötung von friedlichen Demonstranten verhängen zu können, sollten die Vermittlungsbemühungen scheitern.

"Wir können uns das nicht mehr bieten lassen", sagte Brok dem Standard am Donnerstag. Der Beschluss von Sondergesetzen gegen Demonstrationen habe zu einem Automatismus von Maßnahmen der Polizei geführt, auf die es wiederum Reaktionen der Opposition gegeben habe. Von dieser Eskalation müsse man rasch wieder wegkommen.

Runder Tisch wie in Polen

Die EU-Vertreter werden in Kiew verlangen, dass diese gegen Grundrechte gerichteten Gesetze wieder zurückgezogen beziehungsweise kurzfristig nicht angewandt werden. Die Regierung nennt Demonstranten "Terroristen" . Der Präsident solle daher auch die Regierung umbilden und jene austauschen, die für die Verschärfung gesorgt haben. Das wäre ein Zugeständnis an die Opposition. In einem nächsten Schritt solle es einen "runden Tisch"  aller Beteiligten (wie 1989 in Polen) geben, die ein Szenario für eine friedliche politische Lösung ausarbeiten – inklusive baldiger Neuwahlen. Janukowitsch, heißt es, könnte so bis zu der Präsidentenwahl weiter im Amt bleiben.

Sollte die ukrainische Führung kein Einsehen zeigen, dürfte die EU damit beginnen, Sanktionen zu verhängen. Diese würden sich zunächst auf jene Personen – Staatsanwälte, Polizisten, Regierungsbeamte, Minister – beziehen, die für die Gewalt und die Gesetze verantwortlich waren. Sie würden Reiseverbote in die Union oder auch das Sperren von Konten beinhalten. Auch Oligarchen, die die Repression der Grundrechte unterstützen, könnten betroffen sein. Solche Sanktionen schloss auch Parlamentspräsident Martin Schulz nicht aus. Er warnte aber davor, die Türen allzu schnell zuzuschlagen.  (Thomas Mayer aus Brüssel /DER STANDARD, 24.1.2014)