Die von Oskar Barnack entwickelte "Ur-Leica" aus dem Jahr 1914.

Foto: Leica/Wikimedia Commons

Weltkriegsbedingt begann die große Zeit der Kleinbildkamera Leica mit ihrer Präsentation auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1925.

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Von Appledesigner Jony Ive und Marc Newson entworfen: Leica M for (RED), November 2013 von Sotheby's für eine Wohltätigkeitsveranstaltung für 1,8 Mio. Dollar versteigert.

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Leica C, 2013 auf den Markt gekommene Kompaktkamera aus der Zusammenarbeit zwischen Panasonic und Leica.

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Das Jahr 1914 ist die Geburtsstunde der Kleinbildfotografie. Oskar Barnack,  Mitarbeiter der Ernst-Leitz-Werke Wetzlar, erhielt den Auftrag, die Kinofilmkamera weiterzuentwickeln. Er baute eine Minikamera, die es erlauben sollte, die Belichtung von 35mm-Filmen zu messen. Nebeneffekt: Das Gerät machte erstaunlich gute Aufnahmen.

"Lilitput-Kamera fertiggestellt"

Mit dieser Erfindung revolutionierte der im brandburgischen Lytow geborene  Feinmechaniker (1876 – 1936) die Mobilität und Ausdrucksmöglichkeiten der Fotografen, die bisher auf überwiegend sperrige Bildplattenapparate angewiesen waren. Barnack nannte seine handliche Erstkonstruktion daher auch "Lilliput". Im März 1914 vermerkt Barnack laut Firmenarchiv: "Lilliput-Kamera fertiggestellt". Das Original ist noch heute in Besitz der Leica Camera AG, ebenso wie die Negative und Abzüge der ersten mit der Ur-Leica angefertigten Fotografien, darunter Bilder einer USA-Reise des Unternehmers Ernst Leitz I. im Sommer 1914. Die Ur-Leica ist quasi der Prototyp aller Kleinbild-Fotoapparate.

Ein Mythos entsteht

Nach weltkriegsbedingten Verzögerungen trat die Leica 1925 ihren weltweiten Siegeszug. Die weltbesten Fotografen sorgten dafür, dass Leica-Bilder zu Ikonen wurden.  Fast jeder kennt sie, die Bilder, die unser Verständnis vom Weltgeschehen tiefgreifend beeinflusst haben. Beispiele sind etwa Robert Capas "Falling Soldier" im Spanischen Bürgerkrieg, das berühmte Porträtfoto des kubanischen Revolutionsführers Ernesto "Che" Guevara von Alberto Korda, das nackte brennende Mädchen Kim Phúc, das Pulitzer-Preisträger Nick Út während des Vietnam-Kriegs fotografierte. Ebenso sind in diesem Zusammenhang der Franzose Henri Cartier-Bresson zu nennen, der mit 24 Jahren seine erste Leica kaufte, oder der Schweizer René Burri, von dem noch bis 15. März in der Wiener Galerie Ostlicht Zeugnisse seiner Fotoreportagen zu sehen sind.

Börsengang und verschlafener Trend

Viele Jahrzehnte hielt der Mythos, den Foto-Fans mit dem Markennamen verbanden, an. 1996 ging die Firma mit Sitz im hessischen Solms an die Börse. Doch schon bald rächte sich, dass Leica den Trend zur Digitalfotografie verschlafen hatte. Rückläufige Umsätze und wachsende Verluste waren die Folge. 2005 stand der traditionsreiche deutsche Kamerahersteller, der erst 2002 seine erste gemeinsam mit Panasonic entwickelte Digitalkamera auf den Markt brachte, knapp vor der Pleite. 

Rettung aus Österreich

Zufall und ein bisschen Übermut brachte 2005  Andreas Kaufmann, Spross einer schwerreichen österreichischen Familie und lange Deutschlehrer an einer deutschen Waldorfschule dazu, mit seiner Salzburger Firma ACM Projektentwicklung  das angeschlagene Unternehmen zu übernehmen. Es folgten mehrere Phasen der Sanierung. Als Aufsichtsratsvorsitzender, zwischenzeitlich auch als Vorstandsvorsitzender, sorgte der Frantschach-Erbe für den überfälligen Umstieg von analoger auf digitale Technik. 

Bündnis mit Finanzinvestor Blackstone

Die Zusammenarbeit mit Panasonic baute er aus. Zwar musste er durch diese Kooperation mit dem japanischen Hersteller, der Fotoapparate eher für die Masse herstellt, Kompromisse eingehen.  Doch gelang es ihm, den Namen von Leica als Spitzen-Kamerahersteller zu verteidigen. Mit Spitzenpreisen: 20.000 Euro - und zwar nur das Gehäuse, kostet etwa die 2013 auf den Markt gekommene Spiegelreflexkamera Leica S. Wie bei einem Porsche oder Ferrari sei der Preis durch die Technologie gerechtfertigt, argumentiert Kaufmann. 2009 erreichte Leica den Turnaround. Um wieder zur Weltmarke zu werden, holte Kaufmann 2011 Finanzinvestor Blackstone an Bord. Der US-Private-Equity-Konzern, an dem auch ein chinesischer Staatsfond beteiligt ist, hält 44 Prozent und sieht nach Aussagen von Blackstone-Deutschland-Chef Axel Herberg in Leica ein längerfristigeres Engagement. Bis zum Geschäftsjahr 2015/2016 will Leica den Umsatz von 325 auf 500 Millionen Euro steigern.

Neue Produktionsstätten

Die Auftragslage ist offenbar gut: Voriges Frühjahr wurde ein Erweiterungsbau im portugiesischen Werk in Betrieb genommen, Mitte 2014 eine neue Fabrik in Wetzlar bei Frankfurt eröffnet werden. Dort sollen jährlich bis zu 75.000 hochwertige, samt Objektiven bis zu 26.000 Euro teure Spiegelreflexkameras gebaut werden. Auch sonst lässt Kaufmann nichts unversucht, ein verkaufsförderndes Image aufzubauen. In Wetzlar entstehen neben der neuen Fabrik auch ein Fotomuseum, ein Leica-Laden und ein Besucherzentrum. Ausgebaut wurde das Netz der Leica Galerien in aller Welt, wo Bilder internationaler Fotografinnen und Fotografen präsentiert werden, die mit Leica-Kameras entstanden sind.  2012 wurde so etwa in Wien eine neue Galerie in der Innenstadt eröffnet. Unterstützt wird seit dem Vorjahr der Fotowettbewerb der Online-Plattform I-Shot-It.com, an der Kaufmann mit 25,1 Prozent beteiligt ist.

Rekorde bei Auktionen

Groß ist die Nachfrage nach Leicas bei Sammlern. Immer wieder erreichen die Kameras des deutschen Herstellers Rekordpreise. So wurde zuletzt im November 2013 eine von Apple-Chefdesigner Jony Ive entworfene Leica für 1,8 Millionen Dollar (1,3 Mio. Euro) für einen karitativen Zweck versteigert. Den bisherigen Spitzenwert von 2,16 Millionen Euro erzielte eine Vorserien-Leica aus dem Jahr 1923, die 2012 bei einer Auktion in der Wiener Galerie Westlicht unter den Hammer kam. Der Startpreis für die Kamerapreziose hatte bei 300.000 Euro gelegen. Der Käufer blieb anonym. (kat/APA, derStandard.at, 24.1.2014)