Aus Blutstammzellen gehen kontinuierlich neue, reife Blutzellen hervor. Nun haben deutsche Wissenschafter nachgewiesen, dass es zwei Populationen von Stammzellen mit unterschiedlicher Teilungsrate gibt. Zusätzlich zeigte sich, dass diese Funktion in jeder Stammzelle codiert enthalten ist. Eine Stammzelle, die eine reduzierte Teilungsrate aufweist, kann sich nicht mehr in eine Stammzelle mit hoher Teilungsrate entwickeln. Die Forschungsergebnisse konnten damit grundlegende Fragen bei der Regeneration von Blutzellen klären, um für die seit vielen Jahren erprobte Anwendung regenerativer Therapien künftig neue Wege zu eröffnen.

Eines der regenerativsten Organe in erwachsenen Menschen und anderen Säugetieren ist das Blut, in dem täglich rote und weiße Blutkörperchen neu gebildet werden müssen, um die Anzahl der Zellen im Blut und in den Geweben konstant zu halten. Verantwortlich für die stetige Nachbildung von neuen Zellen sind die blutbildenden oder auch hämatopoetischen Stammzellen, lokalisiert vor allem im Knochenmark.

Hämatopoetische Stammzellen besitzen die Fähigkeit, sich sowohl selbst zu erneuern und damit ein Leben lang ihre eigene Anzahl konstant zu halten, als auch über unterschiedliche zelluläre Zwischenstadien, den Vorläuferzellen, in alle hämatopoetische Zelllinien differenzieren zu können. Dafür stehen Stamm- und Vorläuferzellen ständig vor neuen Schicksalen: Selbsterneuerung oder Differenzierung, Überleben oder Zelltod.

Blutstammzellen mit unterschiedlichen Funktionen

Man nimmt an, dass der erste Schritt der Differenzierung von hämatopoetischen Stammzellen durch eine Reihe von Signalen bestimmt wird, die die Zelle durch Rezeptoren ins Zellinnere weiterleiten kann. "Wir konnten zeigen, dass verschiedene Stammzelltypen, die sich in der Häufigkeit des klassischen Stammzellmarkers und Rezeptors 'Kit' auf ihrer Oberfläche unterscheiden, sich auch in ihrer Funktion unterscheiden, und dass sie aufeinanderfolgende Populationen sind. Weiterhin zeigten unsere Experimente, dass beide Zellpopulationen unterschiedlich auf die Stimulierung mit dem Bindungspartners des Kit-Rezeptors reagieren," erklärt Claudia Waskow Claudia Waskow vom DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden.

Zur Aufreinigung der Proben haben die Dresdner Stammzellbiologen das in der Forschung seit Jahrzehnten übliche Verfahren der prospektiven Isolierung genutzt, das eine Auftrennung von Zellpopulationen in Untergruppen erlaubt und so eine separate Untersuchung dieser Untergruppen möglich macht. Zwei funktional verschiedene Stammzellpopulationen konnten nachgewiesen und damit als existent bewiesen werden, die aufgrund ihres langen Transplantationslebens viele neue Blutstammzellen regenerieren können.

Beeindruckende Teilungsfähigkeit

Eine Population konnte sich nach Transplantation so stark vermehren, dass sie die gesamte Blutbildung im Empfänger übernommen hat, während die andere Population sich 'nur' zu rund 20 Prozent an der Blutbildung beteiligte. "Selbst eine solche Beteiligung hat eine sehr beeindruckende Teilungsfähigkeit zur Grundlage" erklärt Waskow. "Im nächsten Schritt werden wir prüfen, ob sich beide Stammzellpopulationen gegenseitig in ihrem Entwicklungspotential beeinflussen können und ob es ein optimales Verhältnis dieser beiden Stammzellpopulationen gibt, das zu einer längeren und höheren Beteiligung an der Blutbildung in Empfängern nach einer Stammzelltransplantation führt. Experimente, in denen wir testen, ob es diese beiden Stammzelltypen auch im Menschen gibt, laufen bereits und sehen sehr vielversprechend aus". (red, derstandard.at, 25.01.2014)