Graz - Der Ortsparteichef der obersteirischen SPÖ-Gemeinde Etmißl, Karl Lenger, erinnert gern und voller Stolz an das Ergebnis der Landtagswahl 2010. Die Roten legten in ihrer Hochburg Kapfenberg mehr als zehn Prozent ab, Bruck an der Mur mehr als sechs Prozent, Lengers Etmißl aber stand hochweiß da. Als einzige SPÖ-Gemeinde im Bezirk leuchtete ein Plus von drei Prozent vor dem Ergebnis. Das wird wohl das letzte Mal gewesen sein.

Aus Protest gegen die von der Landespartei mitgetragene Zwangsfusion mit Thörl beschloss die SPÖ-Etmißl am Sonntag, die Ortsorganisation aufzulösen. Die Mitglieder traten fast lückenlos aus der Partei aus. "Bis auf zwei, oder drei, die Probleme mit ihrem Job befürchten", sagt Lenger. Gut, es seien nur ein paar Dutzend SPÖ-Mitglieder gewesen, aber die Landespartei solle dies durchaus als "Signal" sehen. "Wir wollen keine Handlanger der Gemeindezerstörer sein, weitere Ortsparteien werden folgen", sagt Lenger.

Der Austritt aus der SPÖ wird pikanterweise mit dem SPÖ-Parteiprogramm argumentiert. Die Etmißler Genossen verweisen in einem Info-Blatt an eine Passage im Programm, wonach die SPÖ dafür eintrete, "... dass alle Menschen das Recht darauf haben, bei Entscheidungen, die sie betreffen, mitzubestimmen ..." Deshalb wäre aus Sicht der SPÖler aus Etmißl, sagt Lenger, eine Volksabstimmung über die Fusion "der einzig richtige demokratische Weg". Der aber vom Land kategorisch abgelehnt worden sei. Die bisherige SPÖ-Fraktion Etmißl wird bei den nächsten Gemeinderatswahlen im Frühjahr 2015 als "Liste FULL (Freie, Unabhängige Liste - Lebenswert" antreten.

Etmißl ist für die SPÖ sozusagen der erste Kollateralschaden der Gemeindestrukturreform, die die rot-schwarze Reformregierung durchgeboxt hat. Etmißl legte sich schon sehr früh gegen die verordnete Gemeindezusammenlegung quer. SPÖ-Bürgermeister Hans Jobstmann fürchtete, dass die Volksschule samt Kindergarten gesperrt werden und die Kinder in andere Schulen auspendeln müssten. Familien würden abwandern, dem finanziell noch gut dastehenden Bergdorf drohe, so Jobstmann, eine Verödung,

Etmißl dürfte erst der Anfang gewesen sein. In den Parteizentralen der SPÖ - aber auch ÖVP - rechnet man bereits mit weiteren Ortspartei-Auflösungen. In der Oststeiermark haben ÖVP-Gemeinden bereits die Gründung von Bürgerlisten angekündigt. Heute, Mittwoch treffen alle "Rebellenbürgermeister" zu einer strategischen Sitzung zusammen. (Walter Müller, DER STANDARD, 22.1.2014)