Abtransport afrikanischer Jagdtrophäen aus dem Besitz der Familie Rothschild im Jahr 1940 nach Salzburg.

Foto: Haus der Natur

Salzburg - Wenn heuer im Salzburger Museum der Naturwissenschaften, im Haus der Natur, der 90. Jahrestag der Gründung gefeiert wird, will Direktor Norbert Winding "nichts mehr im Haus haben, was uns nicht gehört". Insgesamt befinden sich derzeit noch rund zweifelhafte 200 Jagdtrophäen, 150 präparierte Tiere, 250 eiszeitliche Knochenfunde und rund 1000 Bücher in den Depots. Zum Vergleich: In Summe hat das Museum etwa 900.000 Objekte in seiner seiner Sammlung.

Forschung seit Oktober 2010

Seit Oktober 2010 widmet sich eine externe Wissenschaftlergruppe unter der Leitung des Salzburger Zeithistorikers Robert Hofmann der Sammlungsgeschichte und Provenienzforschung des Naturmuseums. Demnach seien viele der vom langjährigen Leiter des Hauses, Eduard Paul Tratz (1888-1977), während der NS-Diktatur geraubte Exponate bereits unmittelbar nach der Befreiung 1945 zurückgegeben worden.

Darunter beispielsweise Präparate, Bücher und wissenschaftliche Instrumente, die Tratz bei einem Raubzug in Polen 1939 aus dem Naturhistorischen Museum in Warschau entwendet hatte oder auch Gegenstände, die er noch 1944 aus den Beständen der medizinischen Fakultät in Straßburg requiriert hatte.

Tratz hatte als SS-Hauptsturmführer und Abteilungsleiter der von SS-Reichsführer Heinrich Himmler gegründeten pseudowissenschaftlichen Vereinigung "Ahnenerbe" Zugang zu den höchsten Stellen der Nazi-Hierarchie. So konnte er auch wiederholt an diversen Raubzügen in den besetzten Ländern teilnehmen oder an arisiertes Vermögen gelangen. Trotz seiner nationalsozialistischen Gesinnung wurde er bereits im Jahr 1949 wieder mit der Leitung des "Haus der Natur" beauftragt. Diese Funktion bekleidete er bis 1976.

Raubzüge und Arisierungen

Bei den im Zuge der jüngsten Forschungen aufgetauchten und nach dem Kunstrückgabegesetz zu restituierenden Stücken handelt es sich um Bestände aus kirchlichen Bibliotheken - wie etwa der Schulbibliothek des Borromäum Salzburg oder des Katholischen Universitätsvereines.

Dazu kommen Raubstücke aus den von den Nazis überfallenen Ländern. Darunter Exponate aus Smolensk (Russland) oder aus Askania Nova (Ukraine). Auch arisiertes Vermögen befindet sich noch im Besitz der Salzburger. So ließ Tratz 1940 afrikanische Jagdtrophäen von Schloss Steinbach (Niederösterreich) abtransportieren, die Alphonse und Clarisse Rothschild gehört hatten. Mit den Erben habe man bereits Kontakt, berichtet Sammlungsleiter Robert Lindner. Dazu kommt eine Sammlung südamerikanischer Vögel des 1943 im KZ Majdanek ermordeten jüdischen Journalisten Georg Gregor Bomstein-Boni.

Nazi als Ehrenbürger

Den materiellen Wert aller aufgefundenen Stücke kann Sammlungsleiter Lindner nicht beziffern. Es gebe keinen Markt für Tierpräparate. Manche der Präparate hätten jedoch - vor allem bei ausgestorbenen Arten - einen wissenschaftlichen Wert. Die rund 1000 Bücher hingegen würden am Markt aber durchaus eine "respektable" Summe erzielen.

Anstoß für die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des Museums war - neben den Recherchen des Salzburger Historikers Gert Kerschbaumer und des ORF-Journalisten Gerald Lehner - ein Antrag der Bürgerliste im Gemeinderat aus dem Jahr 2009, dem Nazi Tratz die 1963 verliehene Ehrenbürgerschaft der Stadt Salzburg posthum wieder abzuerkennen. Laut Bürgerlisten-Klubobmann Helmut Hüttinger ist dieser Antrag dann ebenso "versandet" wie jener zur Umbenennung von nach Nazis benannten Straßen. (Thomas Neuhold, DER STANDARD, 22.1.2014)