Wien - Das Verantwortungsgefühl zu klein, die Versuchung zu groß - Faktoren für die Finanzkrise können durchaus bei Einzelpersonen gesucht werden. Doch es wäre falsch, keine Kritik am System zu üben - darüber war sich eine Expertenrunde an der Wirtschaftsuniversität Wien einig. Transparency International hatte zum Symposium geladen.

Jenseits des strafrechtlich Verbotenen gebe es auch ethisch bedenkliches Handeln, das ein idealer Nährboden für Korruption sei, sagt die ehemalige Chefökonomin der Bank Austria, Marianne Kager. Sie bezog sich damit auf die Akteure im Finanzmarkt, die jahrelang zu sehr nur nach Wachstum gestrebt hätten. Der ehemalige Exekutivdirektor der Weltbank, Kurt Bayer, kritisiert die "Hegemonie des Finanzmarktes über die Realwirtschaft". Die Privatisierungen der vergangenen Jahrzehnte brächten ein massives Korruptionspotenzial mit sich, so Bayer.

Lange habe es kaum Corporate-Governance-Richtlinien innerhalb von Unternehmen gegeben. Kager vermisst die Sanktionen für Missmanagement: "Solange der Gesetzgeber nicht verlangt, dass Corporate-Governance-Grundsätze strafrechtlich durchgesetzt werden, wird sich nichts ändern.

Ilse-Maria Vrabl-Sanda, Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft stellt klar: "Die Staatsanwaltschaft kann die Weltwirtschaftskrise nicht im Nachhinein strafrechtlich lösen." Derzeit werde bei ihnen auf Hochtouren gearbeitet. 165 Fälle seien in Bearbeitung, mit mehr als 1000 Involvierten. Für jede Kontoinfo brauche es eine gerichtliche Bewilligung, oft dauere das Jahre. (APA, DER STANDARD, 22.1.2014)