Das sind ja recht viele Fragen, die da gesammelt auftauchen. Um sie alle möglichst zufriedenstellend zu beantworten, versuchen wir hier den Ablauf des Beitrittsprozesses zur EU kursorisch darzustellen. Der Beitritt zur Europäischen Union steht grundsätzlich allen europäischen Ländern offen, die bestimmte Kriterien erfüllen. Europäisch ist dabei nicht überwiegend geografisch, sondern vielmehr politisch-kulturell definiert, und die zu erfüllenden Kriterien werden im Fachjargon seit 1993 "Kopenhagener Kriterien" genannt. Aus geografischen Gründen wurde lediglich Marokko 1987 abgelehnt, weil das Land zur Gänze auf einem anderen Kontinent liegt. Vor 1993 gab es keine klaren Regeln bezüglich zu erfüllender Beitrittskriterien, diese wurden erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der damit ansteigenden potenziellen Mitgliederzahl nötig.
Die Vorbedingungen
Die erwähnten "Kopenhagener Kriterien" listen in drei Bereichen unterschiedliche Punkte auf, die von potenziellen neuen Mitgliedern erfüllt werden müssen, um überhaupt in Betracht gezogen zu werden. Die drei Bereiche unterteilen sich in politische, wirtschaftliche und Aquis-Kriterien. Acquis steht dabei für den Acquis communautaire, den gesamten Rechtsbestand der Europäischen Union. Zu den politischen Kriterien zählen Demokratie und rechtsstaatliche Ordnung sowie Wahrung der Menschenrechte und Schutz von Minderheiten. Wirtschaftlich ist eine funktionsfähige Marktwirtschaft nötig. Außerdem muss das Land in der Lage sein, dem Wettbewerb innerhalb des EU-Binnenmarktes standzuhalten. Diese Kriterien müssen spätestens beim tatsächlichen Beitritt des neuen Mitglieds erreicht sein.
Der lange Weg zur Mitgliedschaft
Der Weg zur EU-Mitgliedschaft durchläuft mehrere Stadien. Zuerst entscheiden EU-Kommission und Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat darüber, ob einem Bewerber der Kandidatenstatus verliehen wird. Es können vonseiten der EU auch Bedingungen genannt werden, die vor der Verleihung des Kandidatenstatus vom Beitrittswerber zu erfüllen sind. Die eigentlichen Verhandlungen werden dann in 35 unterschiedliche Kapitel, die jeweils unterschiedliche Politikbereiche betreffen, unterteilt. Die Verhandlungen führt auf EU-Seite die Kommission. Das EU-Parlament und der Europäische Rat werden ständig über deren Verlauf informiert. Grundsätzlich geht es darum, den Rechtsbestand des Beitrittskandidaten an jenen der Europäischen Union anzupassen. Der Zeitplan dafür kann je nach Kandidat sehr unterschiedlich ausfallen: Die Türkei hat beispielsweise schon 1959 einen Antrag auf Mitgliedschaft gestellt, und ihr wurde 1999 der Status als offizieller Beitrittskandidat verliehen. Die EU-Mitgliedschaft der Türkei ist auch eine politisch hochumstrittene Frage, auf die es noch keine einheitliche Antwort der aktuellen EU-Mitgliedsstaaten gibt.
Serbien hat 2009 den Antrag gestellt, gilt seit 2012 als Beitrittskandidat und begann am Dienstag offiziell mit den Beitrittsgesprächen. Eine Hürde war bis vor kurzem die fehlende Auslieferung von mutmaßlichen Kriegsverbrechern an das Haager Tribunal. Nachdem Serbien aber auch diesen Forderungen der EU nachgekommen war, ging es mit dem Status als Beitrittskandidat rasch voran. Derzeit wird in optimistischen Prognosen von einem tatsächlichen Beitritt Serbiens im Jahr 2020 ausgegangen. Größter Stolperstein auf dem Weg in die EU sind für Serbien die Beziehungen zum Kosovo, dessen Unabhängigkeit Belgrad nicht anerkennt.
Ein Vertrag am Ende
Aber sollten in einigen Jahren mit Serbien tatsächlich alle Verhandlungskapitel abgeschlossen sein, steht am Ende des Verhandlungsprozesses der sogenannte Beitrittsvertrag, dieser muss vom EU-Parlament und dem Rat der Europäischen Union (oft auch EU-Ministerrat genannt) gebilligt werden. Anschließend muss der Vertrag von den einzelnen Mitgliedsstaaten und natürlich auch dem beitretenden Land ratifiziert werden. Frankreich hat angekündigt, über die Aufnahme künftiger Mitglieder ein Referendum abhalten zu wollen, sollte der Beitrittskandidat mehr als fünf Prozent der Bevölkerung der Union stellen. Erst wenn alle EU-Mitglieder ihre Zustimmung gegeben haben, können sie ein New Kid On The Block begrüßen. (Michaela Kampl, derStandard.at, 21.1.2014)