Immer wieder schrille Aktionen: Jüngst ließ sich Chen Guangbiao in einem Studio voller Geldscheine ablichten.

Foto: Chen Guangbiao

Chinas schrillster Milliardär gibt seinen Plan nicht auf, die New York Times zu erwerben. "Ich halte daran fest", sagte Chen Guangbiao in einem exklusiven Gespräch mit dem Standard in Peking. Der 46-Jährige lässt sich nicht davon entmutigen, dass ihn die Besitzerfamilie um Arthur Sulzberger Jr. als Kaufinteressenten nicht akzeptiert hat. "Es ist das gu­te Recht der Besitzer, mir ihre Zeitung nicht zu verkaufen. Es ist mein gutes Recht, sie kaufen zu wollen." 

In der ersten Stellungnahme nach seiner Rückkehr aus den USA gestand Chen, einen Fehler gemacht zu haben. In Peking hatte er nebenbei einem vertrauten Journalisten davon erzählt. Der meldete sofort: Chen wolle zusammen mit einem Hongkonger Immobilienhändler eine Milliarde US-Dollar für einen Mehrheitsanteil an der Zeitung bieten. Durch den Medienrummel sei der Termin geplatzt. "Ich werde über befreundete Geschäftspartner oder Auslandschinesen in den USA bei der Zeitung erneut vorfühlen." 

Millionenfache Auflage

Trotz der Abfuhr und viel Spotts freut sich Chen dennoch wie ein kleiner Bub über den Aufruhr in den USA: "Kennt man mich jetzt auch in Europa?"  Die Absicht, die New York Times zu kaufen, treibe ihn seit 2012 um. Chen sagt offen, er würde als neuer Besitzer der New York Times seinen Einfluss nutzen, um zu erreichen, dass die "wichtigste und einflussreichste Zeitung der Welt"  künftig "ausgewogener und objektiver"  über China berichtet. Er sei ein "Branchenfremder" , traue sich aber zu, das Blatt wirtschaftlich zu verbessern. Er würde alle Redakteure behalten, die Besten von au­ßen dazuholen. Ziel wäre, ihr Verbreitungsgebiet durch doppelsprachige Ausgaben auf Asien und China auszudehnen. "Eine millionenfache Auflage sollte kein Problem sein." 

Das Kerngeschäft des Privatunternehmers Chen heißt Recycling von Bauschutt. Das hat ihm nach Schätzung der Reichenlisten von Forbes und Chinas Hurun ein Privatvermögen von rund 4,5 Milliarden Yuan (600 Millionen Euro) eingebracht. Doch seine wahre Berufung ist, als lärmender Umweltaktivist und Wohltäter aufzutreten, "Ich will nicht still Gutes tun. Ich will es laut herausschreien." 

"Modellarbeiter" und Aktivist

Mit spontanen Rettungsaktionen eilte er 2004 Flutopfern in Indonesien zu Hilfe, flog 2011 zur Bebenkatastrophe nach Taiwan und kurz darauf nach Japan. Seine Visitenkarte ist inzwischen vollgedruckt mit Attributen eines Gutmenschen. Chen stellt sich vor als "einflussreichster Chinese, prominentester Philanthrop, Modellarbeiter, moralisches Vorbild, Erdbebenretterheld oder Aktivist gegen CO2-Fußabdrücke".

Er selbst arbeitete sich hoch, vom Straßenverkäufer zum Selfmade-Unternehmer. Antrieb waren der Einfluss seiner Mutter und die Erinnerung an das Elend seiner Jugend: "Ich war vier Jahre alt, als 1972 mein Bruder und meine Schwester verhungerten. Ich wäre beinahe mit gestorben." 

Er werde in der Öffentlichkeit oft missverstanden, sagt Chen, wenn er sich mit Geld in rauen Mengen zeigt. Jüngst staffierte er mit 16 Tonnen 100-Yuan-Bank­noten ein Studio mit Mauern aus Geldscheinen aus, 1,5 Milliarden Yuan (180 Millionen Euro) insgesamt. Befragt, was er bezwecke, sagte Chen: Er sei "Imagebotschafter"  für den am 1. Jänner begonnenen Wirtschaftszensus. Er wolle sagen: "Leute, unterstützt die Arbeit des Wirtschaftszensus. Fangt bei mir an. Ich verberge nichts." 

2012 lachte alle Welt über ihn, als er saubere Luft aus Berg- und Minderheitengebieten Chinas in Dosen presste. In Metropolen bot er sie für 60 Cent feil: "Frischluft"  vom "guten Menschen Chen" .

2011 nannte er sich und seine Familie in Chen Ditan (Chen mit niedrigem CO2) um, seine Frau in Zhang Lüse (die grüne Zhang), seine beiden Söhne in Chen Huanbao (Chen Umweltschutz) und Chen Huanjing (Chen Umwelt). Leider habe China die Namen nur für seine Söhne anerkannt.

Wie ein chinesischer Till Eulenspiegel hält er der Gesellschaft den Spiegel vor und schlägt dazu eitel die Trommel für sich selbst. Umweltaktivisten wollen daher mit ihm auch nichts zu tun haben, weil sie seine Aktionen als nicht nachhaltigen Klamauk abtun. Chinesische Journalisten recherchierten in seiner Vergangenheit und beäugen sein Unternehmen misstrauisch. Wie kam es zu den Aufträgen? Ist es an Zwangsumsiedelungen beteiligt? Chen sagt, die ständige Kritik in den Medien mache ihn wütend. Er habe sich nichts vorzuwerfen. "Ich würde doch nicht so öffentlich handeln und mein Geld zeigen, wenn ich Dreck am Stecken hätte." 

Wäre Chen ein Aufklärer wie Ai Weiwei, würde man ihn vielleicht einen Konzeptkünstler nennen. Aber er passt in keine Schublade. Andere Milliardäre mögen ihn nicht, weil er ihnen ein schlechtes Gewissen einjagt. Wenn er Erdbebenopfern half, hagelte es online wüste Beschimpfungen. Chen bezog Prügel oder wurde verspottet, so wie jetzt nach seinem USA-Trip: "Ich habe im Flieger zurück lange nachgedacht aufzugeben. Gutes um des Guten willen in unserer Gesellschaft zu tun, ist verdammt schwer. Die Selbstkosten sind zu hoch."  (Johnny Erling aus Peking/DER STANDARD, 18.1.2014)