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Stephane Degout als Orfeo

FOTO: APA/ INNSBRUCKER FESTWOCHEN/ RUPERT LARL
Innsbruck - Die Geschichte ist eine der schönsten und natürlich schmerzvollsten: Ein junger Mann liebt eine junge Frau. Er ist ein charismatischer Prinz, Sohn eines Königs und einer Muse. Wenn er zur Leier singt, dann lauschen ihm Vögel, Fische, Tiere, sogar Bäume und Felsen. Sie ist die liebreizendste aller Nymphen. Die beiden heiraten.

Wenige Tage danach wird sie von einer Schlange gebissen und stirbt. Seine Trauer kennt keine Grenzen. In seiner Verzweiflung versucht er das Unmögliche: Er möchte sie von den Toten zurückholen. Er singt den Fährmann in den Schlaf, und er klagt vor den Herrschern der Unterwelt so verzweifelt, dass sie ihm gestatten, seine Frau wieder mit zu den Lebenden zu nehmen. Aber: Er darf sich beim Aufstieg nicht zu ihr umdrehen.

Es gelingt ihm nicht. Drei Jahre streift er noch einsam durch die Wälder. Eine Gruppe von Frauen, wütend, dass er ihre Gesellschaft meidet, erschlägt ihn. Seine Seele steigt ins Schattenreich, wo er mit seiner Frau auf ewig vereint ist. (So das Ende der Sage. In Alessandro Striggios Libretto endet Orfeo himmelfahrend.)

Mit L'Orfeo hat Claudio Monteverdi Musikgeschichte geschrieben: Es war ein musiktheatralischer Urknall, die vielleicht radikalste Neuorientierung in der Welt des Klangs. Die Oper ist so perfekt, klar, glatt und symmetrisch wie ein Ei. Fast ein Wunder.

Fast ein Wunder auch, zu welchen musikalischen Großtaten René Jacobs die Musiker der Akademie für Alte Musik Berlin und des Concerto Vocale sowie die Sänger des Vocalconsort Berlin anleitete. Reich, samtig, delikat die Klänge des Orchesters, lebendig, elastisch, präzise das Wirken des Chores. In seiner nach Salzburg, Florenz und Brüssel vierten Orfeo-Produktion (die erste aber in der 26-jährigen Geschichte der Innsbrucker Festwochen) arbeitete deren künstlerischer Leiter mit Barrie Kosky zusammen. Jacobs' Vertrag wurde übrigens bis 2009 verlängert.

Opern-Ur-Ei

Kosky empfindet die Musik des Opern-Ur-Eis als "einen großen Fluss". Fließen tut da tatsächlich einiges in der Inszenierung des Schauspielhaus-Kochefs, aber leider immer nur superkleberzäh. Zeitlupenlangsam steigen die Stangenwälder Thrakiens in den Bühnenhimmel, zeitlupenlangsam zieht bei der Styx-Szene Dali-haftes Dingsbums von links nach rechts.

Koskys Idee für den 1. Akt: Das Stück entsteht spontan, just im Moment des Erklingens entspringt es Orpheus' Sinnen. Der hat also ständig mitzusummen, herumzufuchteln, Notenblätter zu verteilen. Weil: Ja, damals, zu Monteverdis Zeiten war das doch auch eher so! Oh je. Kostüme (Miro Paternostro): zuerst erdfarben, pastellig, Schnitzler-mäßig, dann stilvoll archaisch, schön. Licht (Nigel Levings): hart und klar. Bühne (Klaus Grünberg): futuristisch, klar, karg.

Die Hauptdarsteller? Nuria Rial und Stéphane Degout sangen solide, fest (er) und zart (sie), bei beiden hätte man sich etwas mehr Glanz und Geschmeidigkeit gewünscht. Aber: so jung und schön beide! Das fanden auch die Innsbrucker und riefen: "Bravo!" (DER STANDARD, Printausgabe, 14./15.8.2003)